„Natürlich geht es auch um Sex and Rock ’n’ Roll“

Die drei dienstältesten Mitglieder der Scorpions im großen Playboy-Interview
Credit: Niels Starnick/ Bild am Sonntag
Magazin
Playboy 2022/03

Inhalt

AKTION

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UPDATE

First Lady: Die schöne Rapperin Cardi B 

Ein guter Monat für: Großes Kino und smarte Typen 

20 Fragen an ... Schauspieler Henning Baum 

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Big Bunny: Das Playboy-Flugzeug fliegt wieder

Männerküche: Fast Food – vegan und lecker 

Männerbar: Die neuesten Biertrends

Wein des Monats: Die rote Cuvée „Maestro“

Stil: Hochwertige Goldringe

Motor: Testfahrt im neuen Tesla Model Y

Pro & Contra: Mit Bekloppten reden 

REPORTAGE

Geld oder Liebe: Wie kriminelle Love-Scammer mit Fake-Profilen im Internet Liebesuchende erst um den Verstand und schließlich um ihr Vermögen bringen

INTERVIEW

Scorpions: Die Kult-Band über Groupies, das Partyleben auf Tour, skandalöse Plattencover und die Steine auf dem Weg zum Welterfolg

STREITSCHRIFT

Die neue Weinerlichkeit: Unser Autor hat genug von der humorlosen Herrschaft der Empfindlichen

MOTOR & TECHNIK

Audi RS 3: Ein rasanter Flitzer, mit dem der Alltag einfach noch mehr Spaß macht

Mein Schlitten: Jürgen Seidl und sein DKW F7

Walter Röhrl: Ein Interview zum 75. Geburtstag des Rallye-Königs – über Reife und das Rasen im Alter

TITELSTRECKEN

Die Top-Athletinnen Janine Flock (Skeleton) und Lisa Buckwitz (Bob) machen Lust auf die Olympischen Winterspiele in Peking

EROTIK

Playmate: Unsere Miss März, Beatrice Wolf, verzaubert uns mit ihren allerersten Aktfotos

STIL

Mode: Lässige Looks aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

Uhren-News: Die spannendsten Zeitmesser 2022

Pflege: Hightech fürs Gesicht

LUST & LEBENSART

Playboy-Umfrage: Wie tickt der „neue Mann“?

Experten-Gespräch: Männerberater Andreas Haase über die Ergebnisse unserer Umfrage 

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky übers Beuteschema

KULTUR

Slash: Der Gitarrengott über seine Angst vor dem Untergang des Rock ’n’ Roll, die Harmonie bei Guns N’ Roses und seinen Freizeit-Horror

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats

STANDARDS
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Seit über einem halben Jahrhundert rocken die Scorpions bereits die Welt – und haben noch keine Lust, damit aufzuhören. Pünktlich zum 50. Jubiläum ihrer ersten Platte erscheint jetzt ein neues Album: „Rock Believer“ (ab 25.2.) entstand während des großen Corona-Stillstands in Hannover. Dort trafen wir die drei dienstältesten Scorpions zum Interview über Groupies, das Partyleben auf Tour, skandalöse Plattencover und die Steine auf ihrem Weg zu einer der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten.

Brav nebeneinander aufgereiht, sitzen Rudolf Schenker, 73, Klaus Meine, 73, und Matthias Jabs, 66, vor dem Computerbildschirm. Einzelne Indizien lassen jedoch erkennen, dass sich hier keine gesetzten Herren dem Interview stellen, sondern die drei dienstältesten Mitglieder einer der erfolgreichsten Hardrock-Formationen aller Zeiten: etwa das Equipment ihres Hannoveraner Studios im Hintergrund, Rudolf Schenkers verwegene Rocker-Weste oder Klaus Meines Kombination aus Kangol-Kappe und Sonnenbrille. Gleichzeitig strahlen die drei eine jungenhafte Energie aus, die wohl zum Teil mit dem Stolz auf ihr neues Album „Rock Believer“ zu tun hat. Und Energie brauchen sie auch. Denn für Playboy führt das Trio mit zwei Stunden das wohl längste Interview der jüngeren Band-Geschichte.

Und obwohl der eine oder andere im Verlauf des Gesprächs gelegentlich nervös die Finger aneinanderreibt – alle halten durch. Schließlich gibt es nach 57 Jahren Scorpions (1965 wurde die Band als Cover-Band namens Nameless gegründet, die vornehmlich Beatles-Hits nachspielte und erst anschließend begann, sich mit eigenen Songs im Hardrock zu etablieren) viel zu erzählen.

Sie kehren mit „Rock Believer“ zu Ihren Hardrock-Wurzeln der 80er-Jahre zurück. Warum diese Rückbesinnung?

Klaus Meine: Wir hatten 2018 ein Konzert in Athen, und einer unserer langjährigen Fans meinte bei der After-Show-Party: „Macht doch noch mal so ein geiles Album wie ,Blackout‘.“

Wie macht man ein geiles Album?

Rudolf Schenker: Indem man den richtigen Augenblick erfasst. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen und haben diesmal gesagt, wir wollen mal schauen, ob wir’s noch draufhaben. Zum Glück hatten wir keinen Zeitdruck. Klaus hat sich hingesetzt und kam dann mit einem Stapel von Texten zu mir. Das war für mich eine total neue Erfahrung, denn bis dato hatte ich immer zuerst die Musik geschrieben. Aber so bin ich durch die Landschaften Thailands gefahren und habe mich von den Worten inspirieren lassen. Danach habe ich an Riffs und Konzeptionen gearbeitet und das dann Klaus geschickt.

Aber die allerhöchsten Gipfel wie in den 80ern erreichten Sie in den letzten Jahren nicht mehr. Ist Hardrock eigentlich noch angesagt?

Meine: Natürlich ist es nicht zu leugnen, dass Hip-Hop und Rap im Moment total angesagt sind. Aber wir erleben das komplett anders, wenn wir auf der ganzen Welt Konzerte geben. Wir sind von ganzem Herzen Rock Believer. Rock ist nicht tot, wie so oft behauptet wird, sondern höchst lebendig. Wir spielen nächstes Jahr zum Beispiel beim Hellfest in Frankreich, das ist mit über 100.000 Fans schon ausverkauft.

Schenker: Der Begriff „Rock Believer“ ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich muss da an unsere Anfangszeit zurückdenken. Damals sagten die Leute: „Menschenskinder, macht was Vernünftiges. Das ist in drei Jahren vorbei. Was macht ihr dann?“ Aber das war mir scheißegal, alles in mir sagte, Rockmusik ist das, was ich machen und leben will. Unsere Überzeugung war, dass wir als vier, fünf Freunde um die Welt reisen und Musik machen so wie die Beatles und die Rolling Stones. Wir wollten der Welt zeigen: Das ist eine neue Generation, die kommt nicht mit Panzern, sondern mit Gitarren, Love & Peace & Rock ’n’ Roll. Dank dieser Überzeugung gehören wir auch zu den vier Bands, die sich am längsten gehalten haben. Das sind The Who, die Rolling Stones, die Beach Boys und eben wir. Das ist ein Hammer. Die Leute, die mir damals gesagt haben, „Macht was Vernünftiges, das ist doch in drei Jahren vorbei“, sind jetzt arbeitslos oder Rentner oder was auch immer.

„Es ist natürlich für alte Säcke wie uns erfreulich und erstaunlich, dass wir in den vorderen Reihen unglaublich viele junge Mädchen sehen“ – Klaus Meine

Dass Sie so lange durchgehalten haben – hängt das auch damit zusammen, dass Sie im Lauf Ihrer Karriere nicht zu viel von bestimmten Substanzen probiert haben?

Schenker: Wir haben Rock ’n’ Roll ganz schön kräftig gelebt, und den Körper kannst du stark belasten. Aber du darfst nicht die Kontrolle über dich verlieren. Zum Glück hatten wir in der Band die richtige Chemie und immer Spaß miteinander. In einer Band sollten also nicht nur gute Musiker sein, sondern auch Menschen, mit denen man eine Freundschaft aufbauen kann.

Sie meinten in einem früheren Interview, das Party-all-inclusive-Ticket habe damals jeden Tag auf dem Tisch gelegen. War es nicht verlockend zuzugreifen?

Schenker: Wenn du zwei, drei Jahre auf Tournee bist und das Partyleben voll auskosten kannst, wird das nach einiger Zeit langweilig. Nur wenn du immer wieder die richtige Mitte findest, macht das Leben Spaß.

Matthias Jabs: Wir werden heute sicher auch nicht mehr so ungestüm in die Strip-Clubs gehen wie in den 80ern/90ern nach der Show. Das hat eine Zeit lang Spaß gemacht und uns nebenbei noch zu dem einen oder anderen Song inspiriert.

Ihre Alben-Cover ließen sie sich gern von namhaften Künstlern wie Gottfried Helnwein oder Helmut Newton gestalten – und erlebten manche Moral-Debatte. Bereits 1979 ein Sexismus-Skandal: das Cover des Albums „Lovedrive“ von Designer Storm Thorgerson
Credit: PR

Songs wie „Hot And Cold“ oder „Call Of The Wild“ handeln von Sex und Leidenschaft. Wie stark brennt das Feuer noch in Ihnen? Oder sind Sie jetzt ruhiger?

Meine: Wir sind nicht mehr in einem Alter, in dem man den Playboy schamvoll verstecken muss (lacht). Wenn du ein Rock-Album schreibst, willst du keinen Rosamunde-Pilcher-Roman verfassen, und deshalb drehen sich die Texte natürlich auch um Sex and Rock ’n’ Roll.

Auch wenn Sie alle immer in festen Beziehungen waren oder sind: Es gibt doch die klassische Versuchung für Rockstars ...

Meine: Klar, wenn du auf der Bühne stehst, dann bist du in dieser vorteilhaften Situation, in der Tausende Leute begeistert sind und die Stars da oben vergöttern, und dann gibt es Musiker, die ihre Tour-Manager rausschicken mit der Vorgabe: „Das dritte Mädel von rechts in der ersten Reihe würde ich nach der Show gerne bei mir in der Garderobe sehen.“  Aber das ist eben eine Frage des Charakters.

Schenker: Es ist billig.

Meine: Natürlich machen das viele so, haben es viele so gemacht und machen es immer noch, weil es für sie Teil des Spiels ist. Wenn man jemanden bei einer Party kennenlernt, wo alle ihren Spaß haben, ist das eine Sache, aber sich jemanden aus dem Publikum, das dir zu Füßen liegt, rauszufischen, das war eigentlich schon immer uncool.

Jabs: Wobei es natürlich für alte Säcke wie uns erfreulich und erstaunlich ist, dass wir in den vorderen Reihen unglaublich viele junge Mädchen sehen.

„Die Beatles haben aufgehört, die Stones haben es geschafft, so lange zu bleiben. Also sagten wir, solange die Stones spielen, spielen wir auch“ – Rudolf Schenker

Aber effektiv ging es bei Ihnen nicht um Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll, sondern nur um Rock ’n’ Roll, richtig?

Meine: Rock ’n’ Roll is a way of life.

Schenker: Wichtig ist, dass man sich selbst treu bleibt und seinen Weg unbeirrt geht. An erster Stelle stand immer die Musik.

Allerdings war die Hardrock-Szene eine starke Männerdomäne, in der die Geschlechterrollen klar verteilt waren. Ändert sich das jetzt?

Meine: Wir sehen es seit Jahren in den Social Networks, dass der weibliche Anteil ständig steigt. Unter unseren Millionen Followern sind fast ebenso viele Frauen wie Männer. Und bei den Konzerten sind im Publikum auch immer mehr weibliche Fans. Wir empfinden das als besonderes Privileg, dass wir für drei Generationen spielen, sich das Publikum nicht nur altersmäßig durchmischt, sondern auch mehr weibliche Fans unsere Musik mögen.

Aber es gibt ja noch andere Aspekte Ihrer Arbeit, etwa die Cover. Im Hardrock sind die nicht unbedingt feministisch angehaucht.

Meine: Auf dem Cover des neuen Albums ist ein Mädchen, das vor Begeisterung schreit. Sie hat eine Hand auf dem Kopf, und irgendwann kam jemand und meinte: „Das ist ja eine Männerhand.“ Ist es aber nicht, denn die Fingernägel sind ja rot lackiert, eine zarte, typische Frauenhand. Sonst hätte man das als Bild der Unterdrückung interpretieren können. Das war schon bei uns ein Thema, weil wir nicht wollten, dass das missverstanden wird.

Am berüchtigtsten ist das Cover Ihres 1976er-Albums „Virgin Killer“, das ein nacktes zehnjähriges Mädchen zeigt, dessen Genitalien von einer gesprungenen Glasscheibe verdeckt werden.

Meine: So ein Cover wie bei „Virgin Killer“ würde man heute nicht mehr machen. Mit unserem heutigen Wissen über Kinderpornografie wäre das ein absolutes No-Go. Damals war das eine komplett andere Situation.

Doch selbst ein Song mit dem Titel „Virgin Killer“ ist heutzutage problematisch.

Schenker: Die Aufmachung hat den Song missinterpretiert. Denn im Text ging es eigentlich um den Virgin Killer „Zeit“.  Ein Kind wächst unbescholten auf, und die Zeit lenkt es in die eine oder andere Richtung.

Sie sprachen vorhin von den Tiefen, die Sie erlebten haben. Hätten Sie auf einige dieser Tiefen verzichten können?

Jabs: Es gab eine Zeit in der zweiten Hälfte der 90er, die für jede Klassikrockband wie uns schwieriger war. Nach den großen Erfolgen und der Selbstverständlichkeit der Karriereentwicklung in den 80ern hatten wir es gerade noch geschafft, mit dem Album „Crazy World“ und dem Song „Wind Of Change“ auch Anfang der 90er noch erfolgreich zu sein. Aber parallel stürzte sich schon jeder auf Grunge, Alternative und all diese neuen Musikrichtungen, und plötzlich galt unser Genre als altmodisch und out. Das haben wir auch gemerkt, und weil sich die Produzenten nicht mehr um uns gerissen haben, haben wir mit einem gearbeitet, der uns mit dem Album „Eye II Eye“ in die völlig falsche Richtung getrieben hat. Die Fans haben uns prompt die Quittung gegeben und gesagt, das sind nicht die Scorpions, die wir hören wollen.

Wie kamen Sie aus diesem Tal wieder heraus?

Jabs: Wir haben uns ein bisschen über ungewöhnliche Projekte gerettet, etwa die Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern, als wir für uns für „Acoustica“ mit Akustikgitarren auf die Bühne wagten. Dann, nach etwa zehn Jahren verloren Grunge und Alternative an Energie, und so kamen wir wieder hervor, nicht wie Phönix aus der Asche, denn wir waren nie wirklich weg, aber wir hatten an Stärke gewonnen, sodass wir unsere Fans wieder überzeugen konnten.

„Damals hat man nicht gedacht, dass man überhaupt 30 wird. Es konnte auch ernsthaft keiner davon träumen, dass wir mit unserer Musik Amerika erobern würden“ – Klaus Meine

Mögen Sie es eigentlich zurückzuschauen? Oder sind Sie eher zukunftsorientiert?

Schenker: Wenn du das Jetzt wahrnimmst und daraus Inspiration schöpfst, dann gewinnst du die meiste Kraft. Das wird oft vergessen. Die Menschen machen sich das Leben zur Hölle, weil sie nur denken: Was wird morgen sein?

Meine: Sagt Professor Schenker.

Jabs: Ich stimme dem zu, trotzdem kann es nicht schaden, sich vorausschauend zu orientieren. Aber wenn wir nicht gerade eine Dokumentation über uns angucken müssen, würde ich nie über die Vergangenheit nachdenken, sondern über das, was wir gerade machen, oder das, was noch zu tun ist.

Meine: Gerade wenn wir in dieser Interviewphase sind, blicken wir zurück. Manchmal ist es ganz interessant, um die ganze Entwicklung, die wir als Band gemacht haben, einzuordnen und noch besser zu verstehen. Aber ich möchte mich nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigen und zum x-ten Mal erzählen, wie es war, als die Mauer fiel. Lieber sitzen wir hier und reden über das Hier und Heute und das, was in den nächsten ein, zwei Jahren vor uns liegt, nämlich eine Tour mit einem neuen Album. Es ist ein tolles Gefühl, dass wir nach so langer Zeit was Neues anzubieten haben und nicht nur immer wieder alte Geschichten aufwärmen. Aber wie sagte schon Einstein? „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn ich gedenke, in ihr zu leben.“

Und wenn Sie in die Zukunft schauen, denken Sie an den Moment, in dem Sie das Ende der Straße erreichen?

Schenker: Warum soll man an das denken, was sein könnte? Das ist vergeudete Zeit. Nutze den Moment, um daraus das Beste zu machen.

Meine: Gleichzeitig weiß man natürlich, dass es irgendwo das Ende der Straße gibt.

Was ist mit der Musik der Scorpions? Kann die sterben?

Meine: Es gibt viele Coverbands, die unsere Musik lebendig halten werden. Abgesehen davon gibt es auch einige ewige Klassiker wie „Wind Of Change“, „Still Loving You“ oder „Rock You Like A Hurricane“.

Hatten Sie in jungen Jahren je davon geträumt, dass Sie mit 70 noch die großen Stadien rocken?

Schenker: Diese Musik war zu dem Zeitpunkt ganz jung. Keiner wusste genau, wo der Weg hingeht. Die Beatles haben aufgehört, die Stones haben es geschafft, so lange zu bleiben. Also sagten wir, solange die Stones spielen, spielen wir auch. Aber es wäre völlig absurd gewesen zu sagen, ich mache diese Musik, bis ich 50 bin.

Meine: Damals hat man nicht gedacht, dass man überhaupt 30 wird. Es konnte auch ernsthaft keiner davon träumen, dass wir mit unserer Musik Amerika erobern würden.

Schenker: Am Anfang wusste man nicht einmal, wie man eine Familie durchkriegt.

Meine: Weil man keine Ahnung hatte, ob man sich von der Musik ernähren kann. Da brauchte man noch Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten.

Schenker: Es war eine brutal harte Zeit damals und ein ewiger Balanceakt bei den langen Tourneen zwischen Band und Familie.

Gab es denn jemals eine wirkliche Glaubenskrise bei Ihnen?

Meine: Das war ganz am Anfang, als unser erster Gitarrist, Rudolfs Bruder Michael, uns nach dem ersten Album Richtung England verlassen hat, um sich UFO anzuschließen. Bis dahin war es eine tolle Chemie in der Band. Es hat Spaß gemacht, wir waren auf einem guten Weg. Du hältst zum ersten Mal als junger Musiker deine Vinylscheibe in der Hand, du hörst den ersten Song von dir im Radio, und auf einmal ist das alles vorbei. Das war schon deprimierend. So sind wir auseinandergeflogen – für einen kurzen Moment nur, aber immerhin. Doch es gab so viele Wechsel in den 70ern, das gehörte eben dazu. Man musste sehr viel Energie, Power und Leidenschaft mitbringen und sehr überzeugt sein, dass man auf dem richtigen Weg ist, um all die Steine, die im Weg lagen, zu überwinden.

Wir nähern uns dem Ende dieses langen Interviews. Ist das eigentlich anstrengender als ein Konzert?

Schenker: Nein, das nicht. Aber es fehlt der Applaus in den Gesprächspausen (lacht).

Dann nur noch eine letzte Frage: Besteht heute die Gefahr, dass die Scorpions ihren Stachel verlieren?

Meine: Ich hoffe nicht. Ich übersetze mal Stachel mit Leidenschaft und Power und Energie und Freude an dem, was wir machen. Ich bin überzeugt, dass der Scorpion bei der Rock-Believer-Tour seinen Stachel wieder ausfahren wird.