Mit „Euphoria“ gelang dem Multitalent Sam Levinson zweifellos ein Geniestreich. Von den packenden Geschichten und faszinierenden Figuren bis über die aufwendige Machart und die spektakulär guten Schauspielerinnen und Schauspieler (allen voran Zendaya!) – bei der Serie stimmt einfach alles. Nicht umsonst ist „Euphoria“ heute schon Kult.
Mit „The Idol“ hat Sam Levinson nun eine neue Serie kreiert, auf die die Vorfreude bei „Euphoria“-Fans wie Kritikern enorm war. Doch dann kam plötzlich ans Licht, dass die Regisseurin Amy Seimetz überraschend das Projekt verlassen hat – obwohl schon 80 Prozent der teuren Produktion fertiggestellt waren. Fortan übernahm Levinson die Regie und drehte alles nochmal neu. Die Skepsis wuchs. Nach der Weltpremiere in Cannes wurde „The Idol“ dann mit katastrophalen Kritiken geflutet. Und das völlig zu Recht.
Serien-Hype: Darum geht's in „The Idol“
Die erfolgreiche Pop-Sängerin Jocelyn (Lily-Rose Depp) hat nach dem Tod ihrer Mutter einen psychischen Zusammenbruch erlitten, der ihr ganzes Leben und ihre Karriere ins Chaos gestürzt hat. Mit dünnem Nervenkostüm versucht sich die junge Frau nun an einem Comeback – mit neuer Musik und frischem Image. Zu alter Stärke will sie aber nicht so wirklich zurückfinden.
Doch dann trifft Jocelyn auf den mysteriösen Nachtclubbesitzer Tedros (Abel „The Weeknd“ Tesfaye). Sofort ist sie dem charismatischen Mann verfallen und gibt sich ihm voll und ganz hin. Dabei merkt Jocelyn nicht, dass sie immer mehr in einen gefährlichen Kult abrutscht.
„The Idol“ ist ein sexistischer Albtraum
Der Start von „The Idol“ ist vielversprechend. Bereits in der ersten Szene zeigt Lily-Rose Depp, dass sie definitiv das Schauspieltalent ihres Vaters geerbt hat. In ihrer Rolle ist sie wirklich famos und spielt schon in den ersten Minuten der Serie gefühlt alle Facetten der menschlichen Emotionen gekonnt durch. Stark ist auch der Soundtrack von „The Idol“, der aus der Feder von The Weeknd stammt. Seine sinnlich-poppigen R&B-Songs passen perfekt zur elektrisierten Stimmung der Serie. Die wird zudem unterstützt von wunderschönen Bildern, die viel mit Schatten und Neon-Licht arbeiten.
„The Idol“ sieht also toll aus und klingt schön. Doch bekanntlich ist nicht alles, was glänzt, am Ende auch Gold. Und so war es das auch schon mit den positiven Aspekten der Serie. Denn was „The Idol“ sonst so zu bieten hat, ist schlichtweg eine Katastrophe.
Serien-Hype: „The Idol“ verhebt sich am eigenen Anspruch
Die Message von „The Idol“ wird einem direkt zum Einstieg mit einem plumpen (wenn auch ganz lustigen) Dialog erklärt: Ähnlich wie Britney Spears in der Vergangenheit wird in der Serie auch Depps Jocelyn Opfer von geldgierigen Menschen aus ihrem Umfeld. „The Idol“ soll also eine Kritik sein, eine Satire auf das Showgeschäft, was es mit jungen Frauen anstellt und wie es sie in jeglicher Form ausnutzt und missbraucht. Doch genau daran verhebt sich „The Idol“ so dermaßen, dass man an manchen Stellen vor lauter Unglauben beinahe in Gelächter ausbrechen möchte.
Denn anders als man bei der Prämisse vermuten mag, sieht man in der Serie nicht den Kampf einer Frau gegen eine ausbeuterische Welt, die von gierigen Männern regiert wird. Nein, vielmehr ist „The Idol“ all das, was sie eigentlich kritisieren möchte: So wird Lily-Rose Depp, so famos sie auch spielen mag, spätestens ab Folge 2 als Hauptfigur aus dem Fokus vertrieben. Ab diesem Zeitpunkt wird sie zum Objekt männlicher Lust degradiert. Depp ist ab hier gefühlt nur noch nackt oder in besonders freizügigen Kleidern zu sehen. Und wenn sie nicht gerade selbst mit einem Eiswürfel masturbiert, macht sich The Weeknds Tedros an ihrer Figur per Hand zu schaffen. Denn jeder weiß: Mit einem Orgasmus lässt sich am besten singen. Sex und Nacktheit kommen im Verlauf der Serie so häufig und so explizit vor, dass man streckenweise glaubt, man hat hier einen Porno vor Augen – aber eben keinen von der guten Sorte, sondern eher in Richtung Snuff-Film.
Wenig überzeugend ist auch die Performance von Abel „The Weeknd“ Tesfaye, der die Serie mitkreierte. Dass der Kanadier ein fantastischer Musiker ist, ist weitreichend bekannt. Was jetzt ebenso klar sein dürfte: Schauspieltalent hat er keines. Manchmal ist es gar grotesk bis witzig, wie schlecht The Weeknd seine Rolle spielt. Emotional regt sich da so gar nichts – weder bei ihm, noch beim Publikum.
Umso schlimmer ist es, dass seine Figur Tedros im Laufe der Folgen Jocelyn als Hauptfigur zu verdrängen droht. Anstatt ihrem Kampf zu folgen, sehen wir ihn, wie er ständig lässig herumsteht, andere herumkommandiert und niedermacht oder pseudo-intellektuelle Reden schwingt. Die Darstellung dieses widerlichen Typen ist eigentlich ein Skandal – ähnlich wie die scheußliche Rattenschwanzfrisur, mit der Tedros rumläuft.
Trotz Sex, Drugs und Rock 'n' Roll ist „The Idol“ furchtbar öde
Bei all dem Sex, den schrägen Figuren und den wilden Partys, die sie feiern, liegt der Gedanke nahe, dass „The Idol“ wenigstens unterhaltsam ist. So wie Trashfilme auch auf eine Art Unterhaltung sind. Doch leider ist nicht einmal das der Fall. Trotz all der Nacktheit und der skandalträchtigen Szenen ist „The Idol“ unfassbar zäh und langweilig. Die einzelnen Episoden ziehen sich dermaßen in die Länge, dass man sich nach den fünf Folgen à 50 Minuten so fühlt, als hätte man sich durch 20 Staffeln gequält.
Am Ende ist „The Idol“ also in allen Belangen ein Desaster. Die letzten zwei Folgen haben zwar noch ein paar Überraschungen auf Lager – allerdings erweist sich dann spätestens das Finale als eine Katastrophe. Schlussendlich kann man nur hoffen, dass die Serie nicht die Karriere von Lily-Rose Depp zerstört. Sie ist nämlich um so vieles besser als dieser Serien-Hype.
Alle Folgen von „The Idol“ sind bei WOW verfügbar.
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