Autor: Dr. med. Burkard Voss
In Deutschland befassen sich an den Hochschulen heute mehr Professoren mit sogenannten Gender Studies als zum Beispiel mit Pharmazie. Wer braucht schon Apotheker? Und nicht wenige dieser Experten für die sozialen Rollenbilder von Mann und Frau (Gender) weiten ihr Hoheitsgebiet auch auf den naturwissenschaftlichen Bereich der Geschlechterbiologie (den Sex) aus. Schließlich genießen sie in Bildung und Politik mittlerweile einen höheren Stellenwert als Ärzte und Apotheker. Sie wollen nicht mehr bloß Denkgewohnheiten hinterfragen. Sie gehen aufs Ganze – und nehmen sich auch gleich unsere Penisse und Vaginen vor. Weg damit! Natürlich nicht etwa in Form operativer Eingriffe, dazu bräuchten sie medizinisches Faktenwissen. Nein, mit Behauptungen. Mit Lehrmeinungen. Damit machen sie Schule: Es gehe darum „aufzuzeigen, dass es das typisch Männliche und das typisch Weibliche nicht gibt“, erklärte neulich der Sexualwissenschaftler Heinz-Jürgen Voss von der Hoch- schule Merseburg im Deutschlandfunk. Mit anderen Worten: Auch Penis und Vagina sind nur soziale Konstrukte – also im Grunde nichts anderes als die Haarfarbe in einem Blondinenwitz: komplett bedeutungs- los und nur Anlässe für dumme Vorurteile.
Im Denken, Fühlen und Verhalten, darin ist sich die neue Expertenelite einig, gebe es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Und falls doch, seien sie auf gesellschaftliche Einflüsse wie schlechte Erziehung zurückzuführen. Diese Annahme droht sich langsam als Common Sense durchzusetzen. Dabei handelt es sich um völligen Nonsens.
Bei aller beschworenen Gleichheit von Mann und Frau offenbart sich nämlich sehr wohl mancher Unterschied – nicht nur beim Sex, auch im Gehirn. Zahllos sind die neuroanatomischen Geschlechtsunterschiede zwar nicht, aber sie lassen sich auch nicht auf null reduzieren.
Beim männlichen Fötus beginnt schon ab der sechsten Schwangerschaftswoche das Wachstum der Hoden, die Testosteron produzieren, was wiederum das Wachstum der linken Gehirnhälfte verlangsamt. Die rechte Gehirnhälfte kommt nun mehr zum Zug – und sie ist es, die bei Männern dominiert. Sie ist zuständig für Abstraktion und räumliches Vorstellungsvermögen.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Männer Wege sicherer finden als Frau en. Diese wiederum sind sprachlich besser drauf, was eine Funktion der linken Gehirnhälfte ist, die sich ohne Einfluss von Testosteron besser entwickeln kann. Im Kleinkindalter bevorzugenJungen daher eher mechanisches Spielzeug wie Rollen oder Bälle, erweitern ihren räumlichen Aktionsradius, während Mädchenstärker dazu neigen, fürsorgliches menschliches Verhalten im Spielmit Puppen zu wiederholen.
Ja, schon als Säuglinge springen Jungen stärker auf Dinge an und Mädchen auf Menschen. Frauen sind statistisch freundlicher und weniger aggressiv als Männer. Männer gehen mehr Risiken ein. Krieg um Territorien ist männlich. Wären diese Unterschiede nicht biologisch bedingt, wie sollte man dann erklären, dass sie in nahezu allen Kulturen nachweisbar sind? Auch in skandinavischen Ländern, wo die größte Geschlechtergerechtigkeit herrscht, sieht man sie – zum Beispiel in der Studienwahl: Mehr Frauen streben in sprachwissenschaftliche Fächer, mehr Männer in den Maschinenbau. Eine Folge kultureller Prägung und sozialer Erwartung?
Nein, auch Hormone und Gehirnarchitektur ent scheiden mit. Östrogen und Testosteron beeinflussen unsere kognitiven Fähigkeiten. Beispiel räumliche Orientierung: Testosteron fördert, Östrogen hemmt sie. Wenn Östrogen bei der Menstruation die niedrigste Serumkonzentration aufweist, schneiden Frauen in Tests zur räumlichen Orientierung am besten ab. Am schlechtesten sind dann ihre verbalen Leistungen. Dafür wissen – Stichwort Gehirnarchitektur – ihre Hirn hälften verlässlich besser, was die jeweils andere tut. Das verbindende Nervenfaserbündel ist bei Frauen meist stärker ausgeprägt als bei Männern.
Bei Männern hingegen ist einer der ältesten Teile unseres Zentralorgans, auch Mandelkern oder Amygdala genannt, in einem Bereich bis zu 65 Prozent größer als bei Frau en: in jenem Teil, der anspringt, wenn sexuell aktivierende Duftstoffe die Nasenschleimhaut kitzeln. Bei bestimmten Gerüchen denken Männer öfter an Sex als Frauen. Und nicht nur bei Gerüchen.
Es ist eine alte Therapeutenerfahrung, dass zu wenig Sex für Männer ein größeres Problem darstellt als für Frauen. Zwar zeigen Metaanalysen, dass sich das Sexualverhalten der Geschlechter heute zunehmend angleicht – ganz gewiss eine erfreuliche Folge der sexuellen Befreiung und der wachsenden Gleichberechtigung –, doch es gibt klassische Muster, die konstant bleiben: Männer sind stärker interessiert an unverbindlichem Sex. Hauptsache, Sex – fast egal, mit wem, das ist eine mehr oder minder seltene Verfassung, die vorzugsweise die männlichen Exemplare des Homo sapiens mit Reptilien gemeinsam haben – aus evolutionspsychologischer Sicht übrigens eine Folge der Eroberung des Lebensraums Land: Seit die Vorfahren der heutigen Säuger das Wasser verließen, wo Eier und Samen schwimmend zueinander fanden, und sich stattdessen die innere Befruchtung durchsetzte, entwickelten sich, so sagen Evolutionspsychologen, zwei Strategien der Partnerwahl. Der reproduktive Auf wand der Frauen ist seither gewaltig und die mögliche An zahl ihrer Nachfahren begrenzt, sie müssen daher Sexpartner mit Bedacht wählen.
Männer hingegen müssen für ihre Reproduktion nur vergleichsweise wahllos herumvögeln – Hauptsache, Sex. Dass sich dies mit der modernen Menschenwirklichkeit nicht allzeit gut verträgt, versteht sich von selbst. Auch der Leidensdruck untersexter Patienten erzählt davon.
Aber eben nicht nur das Leid, sondern auch die Lust, der Flirt, das Abenteuer des Lebens und seine Fortsetzung über Milliarden von Generationen und Kulturen liegen in diesen winzigen, aber großartigen Unterschieden der Geschlechter begründet. Statt Männer und Frauen für gleich zu erklären und die Natur zu leugnen, wie die Gender-Experten es tun, sollten wir uns unserer Unterschiede erfreuen – und den biologischen Fakten ins Auge sehen. Nur so können wir soziale Gleichheit für Männer und Frauen schaffen, gleiche Rechte, gleiche Chancen, gleiche sexuelle Freiheit. Eine auf Verleugnung der Unter schiede basierende Beziehung ist zum Scheitern ver urteilt und garantiert nicht von Dauer. Denn wie wusste schon der römische Dichter Horaz: „Man kann die Natur mit einer Mistgabel hinausjagen, sie kommt dennoch stets zurück.“