Herr Vollmer, vor ziemlich genau neun Jahren gewannen Sie Ihren ersten Super Bowl. Was für ein Gefühl war das damals?
Ich habe den ersten 2012 verloren. Ich wusste also, wie sich die Alternative dazu anfühlt. Es gibt sehr, sehr viele gute Spieler, die es nie schaffen, überhaupt in den Super Bowl zu kommen. Als wir den ersten verloren hatten, fragte ich mich, wie lang ich auf diesem Niveau spielen kann und ob es mir überhaupt noch mal gelingen wird, den Super Bowl zu erreichen. Lange Zeit sah es dann im Spiel so aus, als würden wir wieder verlieren. Dadurch, dass wir das Spiel gedreht haben, war zusätzlich Spannung drin. Als es aus war, waren wir alle voller Euphorie. Ein Gefühl, von dem du bestimmt eine halbe Stunde lang nicht mehr herunterkommst. Du nimmst jeden in den Arm und zu jedem „Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich.“
Sie waren erst der zweite deutsche Spieler, dem der Triumph im Super Bowl gelang. Welches Standing hatte Football, als Sie sich für diesen Sport entschieden?
Es war Zufall, dass ich beim Football gelandet bin. Das muss so um die Jahrtausendwende gewesen sein. Jemand nahm mich zum Probetraining mit und ich habe mich direkt in den Sport verliebt. Damals saßen vielleicht 200 Leute auf der Tribüne, ein paar Mütter, Freundinnen und das wars. Gespielt wurde auf einem angemieteten Ackerplatz, weder die Trainer noch die Spieler wurden bezahlt, alles lief auf Amateurniveau, aus Liebe zum Sport.
Ex-Football-Profi Sebastian Vollmer: „Ich habe mich in diesen Sport verliebt“
Heute wächst das Interesse am Football von Jahr zu Jahr an. Macht es Sie da stolz, ein Teil dieses Hypes zu sein?
Stolz, ist, glaube ich, der falsche Ausdruck. Aber ich weiß, was der Sport für mich getan hat. Ich habe mich in den Sport verliebt und er hat mir ein Leben ermöglicht, das ich mir so nicht hätte träumen lassen. Ich habe sämtliche Erfolge gefeiert und dadurch am Ende meine Frau, Familie und viele gute Freunde kennengelernt. Mein Ziel ist es heute, Football zu Leuten zu bringen, die sich mit dem Sport noch nicht auskennen. Wenn einem Leute dann irgendwann erzählen „Wegen dir habe ich mit dem Sport angefangen“, ist das natürlich etwas Schönes.
Werden Sie heute mehr als zu Ihrer aktiven Zeit in der Öffentlichkeit erkannt?
Definitiv, vor allem in Deutschland. In den ersten fünf Jahren bis zum ersten Super-Bowl-Sieg war das alles noch kein großes Thema. Aber dann stimmte auch das Timing, der Super Bowl war im Free-TV zu sehen und die Medien wurden ein bisschen aufmerksamer. All das hat sich dann von Jahr zu Jahr gesteigert.
Wie erklären Sie sich diesen enormen Siegeszug des Footballs in Deutschland?
Wahrscheinlich sind das viele verschiedene Faktoren. Die Übertragungsrechte sind das eine. Ohne Fernsehen erreicht man die Massen nicht. Und ich denke, dass es auch an der Sportart selbst liegt. Es gibt vielleicht auch Menschen, die sich mit beliebten Sportarten wie Fußball nicht hundertprozentig identifizieren können und froh sind, im Football eine Art zu Gemeinde zu finden. Das ist das Grandiose am Football: Es ist ein sehr familiärer Sport, den sich nicht nur Männer gerne anschauen. Es ist für jeden etwas dabei. In den USA geht die ganze Familie zum Spiel oder man lädt Freunde und Verwandte vor den Fernseher ein. Einer bringt Essen mit, der andere Getränke und es ist eine echte Party. Ich habe gerade eine Umfrage gelesen, dass viele Leute gar nicht wissen, wer überhaupt spielt, bis sie den Fernseher anmachen. Es geht oft weniger um den blanken Sport, viel mehr um das Miteinander.
Mittlerweile gab es auch erste NFL-Spiele in Europa…
Mein erstes Spiel, das außerhalb von den USA stattfand, war 2009 in London. Gefühlt gab es dort nur drei Polizisten und 70.000 Fans liefen friedlich die Straße entlang. Das war schon beeindruckend, denn das ist bei anderen Sporten ja oft ganz anders.
Wie haben Sie die NFL-Spiele in Deutschland erlebt?
Die Ticketverkäufe, die Einschaltquoten und nicht zuletzt die Stimmung bei den Spielen in Deutschland waren fantastisch. Es gab vielleicht vorher noch den ein oder anderen Verantwortlichen, der nicht ganz überzeugt war von der Idee. Aber die Liga ist sehr zufrieden und hat Wachstumsraten von über 20 Prozent pro Jahr. Deutschland ist der zweitwichtigste Markt für die NFL.
Ex-Football-Profi Sebastian Vollmer: „Deutschland ist der zweitwichtigste Markt für die NFL“
Durch Ihre Bekanntheit und Engagement im Football sind Sie heute Markenbotschafter für die Pflegemarke L’Oréal Men Expert. Wie eitel geht es vor einem Spiel in der Kabine zu?
Ich glaube, auch das hat sich in den letzten Jahren geändert. Durch Social Media ist jeder Spieler auch seine eigene Marke, sein eigener Kameramann. Ich meine, die Spieler sind mit Mitte 20 durchtrainiert und in der Prime ihres Lebens, werden Woche für Woche von Millionen Menschen gesehen. Da will man natürlich gut und gepflegt aussehen – auch wenn man sich auf dem Feld anstrengt und es etwas grober zugeht. Ich habe meinen Bart seit fast 20 Jahren und bin sowieso gewohnt, ihn zu pflegen. Und der Körper wird durch den Sport sehr beansprucht, da tut es gut, die Blessuren zu pflegen. Allein, weil man am Tag dreimal duscht, braucht die Haut schon Pflege.
Ex-Football-Profi Sebastian Vollmer über das Gefühl, im Super Bowl zu stehen: „Mit dem Anpfiff hört das Zittern auf und man kommt in seine Routine“
Am Wochenende steht nun der Super Bowl an. Als jemand, der selbst mehrfach im Finale stand: Was geht Profis vor dem Spiel durch den Kopf?
Man versucht, die Abläufe so einzuhalten, wie man das auch unter der Saison macht. Das ist allerdings gar nicht so leicht, weil die Liga einem sagt, wann man wo zu sein hat. Das heißt, wir haben Media Day, Pressekonferenzen und so weiter. Es ist das größte Eintagesereignis der Welt. Jeder sieht dein Gesicht und jeder Experte sagt dir, wie gut oder schlecht du bist. Das Telefon rastet aus, weil jeder irgendwie an Tickets kommen will. Und wenn es dann ums Spiel selbst geht, dann hilft nicht mal mehr die Erfahrung. Denn selbst wenn man schon einmal im Super Bowl stand, ist das krass. Die Minuten vor dem Spiel und wenn man dann einläuft… Man weiß ja, dass man sich gerade in die Geschichtsbücher schreibt. Aber für mich war es auch so, dass mit dem Anpfiff wieder „normal“ wird und man sich auf den nächsten Spielzug konzentriert. Dann hört das Zittern auf und man kommt in seine Routine.
Der Super Bowl findet erstmals in Las Vegas statt. Mit Blick auf all den Bombast und die Superlative – worauf freuen Sie sich am meisten?
Für mich ist der Super Bowl immer schön, weil es im Prinzip eine große Reunion ist. Man sieht Leute, die man seit Jahren kennt, aber sonst viel zu selten sieht. Beim Super Bowl sind alle da, egal, wo sie sonst leben und arbeiten. Und es ist großartig, Teil von diesem großen Ereignis zu sein. Und es ist für mich etwas Feines, das Spiel für die Zuschauer zu erklären und meine Leidenschaft für diesen Sport zu teilen.
Haben Sie Tipps für jemanden, der am Wochenende zum ersten Mal einschaltet?
Ich glaube, es gibt da kein Richtig und kein Falsch. Ich persönlich mag es, wie gesagt, wenn Menschen zusammenkommen und man sich zum Super Bowl trifft. Das ist ein Gemeinschaftserlebnis, auch für Leute, die vielleicht nicht so tief drin sind. Ich erinnere mich noch daran, als ich vor über 20 Jahren den Super Bowl zum ersten Mal im Fernsehen verfolgt habe. Ich weiß noch genau, wer dabei war und was wir gemacht haben. Ich kann jedem nur raten, das Spiel und das ganze Drumherum zu genießen. Essen, trinken, auf der Couch oder in der Bar sitzen und das alles auf sich wirken lassen.
Abschließend muss die Frage sein: Wer gewinnt den 58. Super Bowl?
Das ist ganz schwierig zu beantworten. Ich persönlich glaube, dass die 49ers das bessere Team sind, vom Talent her. Die Chiefs erinnern mich so ein bisschen an die alten Patriots-Teams, wo man vielleicht auf dem Papier nicht die beste Mannschaft hat, aber dann am Ende diese Gewinner-DNA eines Patrick Mahomes. Der zieht am Ende eben doch noch mal durch und entscheidet das Spiel. Ich glaube, das wird ein interessantes Aufeinandertreffen und ein ganz knappes Ding.
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