Spätestens seit der Serie „Vikings“ (2013-2020) sind Wikinger aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. Noch nie war die Faszination für die archaischen Krieger, Händler und Entdecker aus dem hohen Norden größer als in den vergangenen Jahren. Und nun gibt's mit „The Northman“ (2022) ein weiteres Wikinger-Spektakel. Aber braucht es den Film, der am 21. April in den deutschen Kinos startet, bei dieser Überfülle an Angeboten überhaupt? Absolut! Denn einen Wikinger-Film wie das neueste Werk von Robert Eggers gab es bisher noch nicht.
Darum geht's in „The Northman“
Skandinavien im Jahr 895: Der mächtige Wikinger-König Aurvandil (Ethan Hawke) will in die Totenwelt einkehren und plant, sein Reich an seinen jungen Sohn Amleth (Oscar Novak) weiterzugeben. Doch Fjölnir (Claes Bang), Aurvandils Halbbruder, nutzt die Gunst der Stunde: Er tötet den König und reißt die Macht an sich. Amleth kann gerade noch so entkommen – doch seine Mutter, Königin Gudrún (Nicole Kidman), wird von Fjölnir gefangen genommen. Bei seiner Flucht schwört der junge Prinz, dass er sich eines Tages an seinem Onkel rächen und seine Mutter befreien wird.
Viele Jahre später ist Amleth (jetzt: Alexander Skarsgård) zu einem mächtigen Krieger herangewachsen. Sein Schwur scheint vergessen. Doch dann überfällt er mit seiner Bande ein Dorf im Land der Rus, wo er an seine Vergangenheit erinnert wird. Amleth verbündet sich daraufhin mit der Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy) und beginnt seinen blutigen Rachefeldzug.
„The Northman“: Dreckig, brutal, düster
„The Northman“ (2022) ist harte Kost – und definitiv nichts für jeden Geschmack. Das gilt gleich auf mehreren Ebenen. So dürften die Kämpfe, die hier ausgetragen werde, zum blutigsten und brutalsten gehören, was seit langem im Kino zu sehen war. Ob hervorquellende Eingeweide, die klatschend auf den Boden fallen, oder abgeschlagene Extremitäten, die in der Gegend herumfliegen – für Splatter-Fans ist „The Northman“ (2022) ein Fest.
Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der neue Film von Robert Eggers alles andere als ein einziges Schlachtengemälde ist. Denn wer den Regisseur, der zuvor „The Witch“ (2015) und „Der Leuchtturm“ (2019) inszeniert hat, kennt, der weiß auch, dass seine Filme nur so von Symbolik, doppeltem Boden und Tiefgründigkeit triefen. Das gilt eben auch für „The Northman“ (2022). So verdichtet Eggers in seinem neuen Werk die skandinavische Sage von Amleth (oder Amletus), die auch William Shakespeare zu seinem berühmten Theaterstück „Hamlet“ inspirierte, zu einem vielschichtigen, fast zeitlosen Rachedrama und einem kruden Mix, der sich am besten als Arthouse-Epos beschreiben lässt.
„The Northman“ (2022) geht dem Zuschauer aber nicht nur wegen seiner Brutalität und seiner bizarren Symbolik unter die Haut. Der Film punktet auch mit einem Realismus, der so dermaßen immersiv ist, dass man den Matsch, das Blut und die Meeresbrise an manchen Stellen sogar glaubt zu riechen und zu schmecken. So ist „The Northman“ (2022) genauso dreckig, düster und zynisch wie man sich die Zeit und Welt der Wikinger vorstellt – ohne romantisiertes Trara. Vor den Szenen- und Maskenbildnern kann man also nur den Hut – oder den Helm – ziehen. Gleiches gilt für den Kameramann Jarin Blaschke, der hier hypnotisierende Bilder eingefangen hat. In „The Northman“ (2022) ist jede Einstellung ein Kunstwerk, das man sich getrost an die Wand hängen könnte.
Wenig überraschend ist auch, dass der starbesetzte Cast in jeder Sekunde abliefert. Alexander Skarsgård ist mal nicht der heldenhafte Schönling, sondern ein blutdürstiger Rohling. Neben ihm beweist Anya Taylor-Joy einmal mehr, dass ihr noch eine großartige Karriere bevorsteht. Und Nicole Kidman und Ethan Hawke sind ebenfalls famos. Doch die absoluten Scene-Stealer sind Willem Dafoe als Heimir the Fool und (ja, kein Witz!) Sängerin Björk als The Slav Witch. Deren irre Rollen sind ihnen auf den Leib geschneidert und man merkt den beiden den Spaß, den sie mit ihnen haben, jede Sekunde an. Leider sind sie nicht lange zu sehen – was ihren Auftritt aber auch umso besonderer macht.
Fazit: „The Northman“ ist nichts für jedermann – aber auf jeden Fall sehenswert
Zusammenfassend gilt also: „The Northman“ (2022) ist ein irrwitziger Mix aus Arthouse und Epos. Und genau deswegen ist er auch so sehenswert. Dass es einen Film wie ihn im heutigen Hollywood überhaupt gibt, ist ein Widerspruch an sich. Irgendwie ist er sperrig, seltsam und eben extrem brutal – andererseits ist „The Northman“ (2022) aber auch ein Kunstwerk, das fasziniert, hypnotisiert und verwirrt.
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