Ja, wir Männer kommen meist vor den Frauen, und nein, der Sex ist trotzdem nicht besser für uns. Er läuft meist nicht mal so, wie wir ihn gern hätten. Klar, die Missionarsstellung ist mittlerweile so unbeliebt wie Missionare selbst, Oralverkehr so üblich wie Begrüßungsküsschen, und über Dreier sprechen wir mit unserer Frau häufiger als über die Mannschaftsaufstellung von Real Madrid. Sex ist zur Routine geworden – vor allem in längeren Beziehungen: Wir haben eine oder zwei Stellungen gefunden, die gut funktionieren, wer fitter ist, muss nach oben. Klingt traurig, oder? Kein Wunder, dass so viele Ehen kaputtgehen, weil Männer und Frauen nach vielen Jahren Sex nach dem Schema F (steht hier mal eher für „freundlich“) einfach Abwechslung brauchen. Es muss ja keine andere Frau sein, aber anderer Sex wäre schon mal ein Anfang. Blöderweise geben wir das nicht offen zu. Stattdessen seufzen wir phlegmatisch, wenn im Fernsehen „Fifty Shades of Grey“ läuft, und suchen, sobald ihr Mädels auf dem durchgesessenen Sofa eingeschlafen seid, auf Youporn nach „Sadomaso“. Allein.
Aber was hält uns eigentlich davon ab, euch mal echt so richtig auf den Hintern zu hauen, wenn ihr bereits 100-mal vor dem Schaufenster des Fetischladens stehen geblieben seid und der Fliegenklatsche in der Küche schon sehnsüchtige Blicke zuwerft? Warum sagen wir euch nicht einfach, dass ihr statt des ausgeleierten Abi-Shirts im Bett mal ein Latexkostüm anziehen sollt oder wenigstens ein Lederhalsband? Das liegt an unserer vermeintlich guten Erziehung. Als Jungs wurde uns eingetrichtert, dass man niemanden haut, Rücksicht nimmt und sich vor allem Frauen gegenüber zurückhält. So etwas ist im Alltag auch gut und richtig, aber eben nicht beim Sex. Doch nachdem wir jahrelang für unsere zuvorkommende, allgemeinverträgliche und empathische Art gelobt wurden, fällt es uns schwer, sie wieder abzulegen. Wir machen es eben lieber den Frauen recht als uns – das hat jahrelang gut funktioniert. Blöderweise sind wir in der Zeit echte Luschen geworden, wenn es darum geht, unsere Wünsche zu äußern.
Aber ist es nicht eh ziemlich arrogant zu glauben, wir wüssten, was Frauen wollen? Wir sind doch nicht mal in der Lage, unserer Partnerin die richtige Handtasche zu schenken, wenn sie uns nicht vorher die Modellnummer aufgeschrieben hat. Wie können wir da wissen, ob sie mehr auf klitorale oder vaginale Stimulation steht? Ach ja, richtig, weil sie es uns gezeigt oder irgendwann mal gesagt hat. Und warum machen wir das nicht auch? Stattdessen heucheln wir lieber weiter um die Wahrheit herum. Dabei ist verlogen-verklemmte Anbiederei die größte Quelle sexuellen Unglücks.
Okay, dass Männer ihre Gefühle nicht zeigen können, ist nichts Neues. Aber je mehr sexuelle Offenheit aus Internet, Filmen und Werbung an die Öffentlichkeit drängt, umso mehr ziehen wir uns zurück. Weil wir uns selbst nicht eingestehen wollen, dass wir „so etwas“ auch wollen, dass wir verkleiden, verführen, dominieren, quälen, anbeten und dabei oder dadurch immer mehr lieben wollen. Das ist doch krank? Ja, genau das fürchten wir auch – und deshalb ist nach dem „Tatort“ wieder Sex im Dunkeln angesagt, anstatt dass wir unserer Frau morgens auf einer Frühlingswiese im Bienenkostüm mit Latexstachel den Honig ablecken. Okay, ich übertreibe. Aber das liegt nur daran, dass die meisten Männer untertreiben. Und deshalb wird beiden Partnern langweilig, sie landen beim Paartherapeuten, und der empfiehlt ihnen gute Scheidungsanwälte. Denn vor diesem Psycho geben wir unsere intimsten Wünsche noch viel weniger zu. Und am Ende sitzen wir Luschitypen im Wohnzimmer auf dem Boden, neben dem weißen Rechteck, wo früher die Couch stand, und wünschen uns mit Tränen in den Augen, dass unsere Frau dort noch immer vor dem Fernseher schliefe.
Also, liebe Männer, Kollegen, Artgenossen: „Wer ’nen Schwanz hat, braucht auch Eier“, heißt es in einem dieser neuen Gangster-Raps. Klingt archaisch, motiviert aber vielleicht. Wir modernen Typen sehen doch mit den Dreitagebärten und Karohemden eh schon wie Macher aus, also macht doch mal was! Und zwar etwas anderes: Lehnt euch ein bisschen aus dem Fenster, ihr werdet schon nicht gleich rausfallen. Tastet euch heran, streckt den Fühler aus (höhö) und riskiert auch mal eine Ablehnung, eine hochgezogene Augenbraue – oder eben die Nacht eures Lebens.
Dabei ist wie bei allen Überraschungen die Verpackung wichtig: Wenn ihr Lust auf einen Dreier mit der Schwester eurer Liebsten habt, fasst ihr nicht spontan an den Hintern. Lieber erst einmal kleine Schritte (und lieber generell die Finger von der Schwester lassen). Aber schenkt eurer Partnerin doch zum Valentinstag statt dem obligatorischen Wellness-Wochenende mal einen Butt-Plug. Und ein paar Handfesseln (Leder, nicht Plüsch, sonst denkt sie, es sei ein Scherz). Sie wird es euch danken, denn erstens ist ihr wahrscheinlich genauso langweilig wie euch, und zweitens ist sie euch eh nahe und hat es bestimmt schon immer gewusst.
Klar, manches ist zu viel, zum Sex gehören ja immer auch zwei (oder mehr), und es geht hier nicht darum, eine Frau zu nötigen oder ihr euren Willen aufzuzwingen. Nur äußern müsst ihr ihn schon. Was daraus wird, liegt an allen Beteiligten. Aber holt nicht gleich zum Rundumschlag aus. Fangt nicht an zu nörgeln, dass es unsexy sei, das Baby vor euren Augen zu stillen, Cellulite zu haben oder mit Beißschiene ins Bett zu gehen. Sonst ist es nur fair, wenn sie erwidert, dass euer Bierbauch, der kreisrunde Haarausfall und die halben Erektionen auch nicht sexy sind. Seid ehrlich, aber charmant. Findet einen Weg, und nehmt euch ruhig ein Beispiel an den Frauen. Die sagen uns doch auch, was sie von uns wollen – und die Rede ist hier nicht vom Müllrausbringen, Einkaufen oder Kinderabholen. Wenn es zum Beispiel um unsere Gesundheit geht und wir die Globuli und Spirulina-Algen nicht ausprobieren wollen, weisen sie uns so lange – erst mehr, dann weniger charmant – auf deren Heilkraft hin, bis wir die Dinger einfach schlucken. Und beim Sex zeigen sie uns, wo der Kitzler liegt, bevor wir bis zur goldenen Hochzeit zwei Fingerbreit daneben herumrubbeln. Frauen haben eine gute Art gefunden, uns mitzuteilen, was sie wollen. Und sie lassen nicht locker. Nicht, weil sie klüger sind oder manipulativer, sondern weil sie das in einer von Männern dominierten Gesellschaft jahrzehntelang lernen mussten. Und jetzt sind eben mal wieder wir an der Reihe.
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