In den Aperitif-Nationen Italien, Frankreich und Spanien ist die Wermut-Welle schon vor ein paar Jahren losgerollt. Mittlerweile hat sie von Süd nach Nord die Bars (und während Corona auch private Haustresen) in ganz Deutschland erfasst. Wermut, lange Zeit als Armeleutegetränk vernachlässigt, steht wieder auf der Karte.
Dabei hat der gewürzte Wein eine wechselhafte Geschichte hinter sich: In früheren Jahrhunderten war er weniger als wohlschmeckende Zugabe alkoholischer Abend-Belohnungen bekannt, son- dern vielmehr als Allheilmittel gegen unterschiedliche Leiden wie Verdauungsstörungen, Pest und Parasiten.
Die mit Wermutkraut versetzten Tränke schmeckten so bitter, dass die Menschen von Stein- bis Neuzeit gar nicht anders konnten, als an ihre – teils tatsächlichen, teils erdichteten – Wirkungen zu glauben. Viele Priester hofften sogar, mit dieser Medizin eigene unchristliche Begierden zu hemmen.
Erst vor etwas mehr als 200 Jahren ging der Stern des gewürzten Weins als Genussgetränk auf: Der Aperitif kam in Italien in Mode, und in Turin entstand im Hause Carpano der erste anspruchsvolle Wermut. Ab 1880 entdeckten ihn dann die Barkeeper der goldenen Bar-Ära in den USA, und es entstanden die ewigen Klassiker Manhattan, Americano und Martini, denen der Wermut als entscheidende Zutat dient.
Nur erlitt der Wermut dann wieder einen Karriereknick und wurde während der 60er-Jahre in minderer Qualität für den Massenmarkt vermarktet und mit allerlei Pulvern künstlich aromatisiert. Der Preis: ein schlechter Ruf und die Verbannung als „Parkbank-Glück“ in die Billigecke im Supermarkt.
Dieses Image hat in den vergangenen Jahren der moderne Bar-Trend wieder korrigiert: Junge Cocktail-Experten besinnen sich auf die alten Drinks aus der Zeit vor der amerikanischen Prohibition – und die Regale über den Bartresen füllen sich wieder mit Wermutflaschen in allen Variationen.
Kenner wissen, dass diese Wermuts – gleich, welcher Farbe – immer auf Weißweinen beruhen, die nicht nur mit Wermutkraut, sondern rund 50 weiteren Gewürzen und Kräutern aromatisiert werden. Rote Wermuts erhalten ihre Farbe meist durch Zuckercouleur, nur selten noch durch natürliche Farbstoffe, haben weniger Alkohol (14 bis 16,5 Prozent) als ihre weißen Pendants (18 Prozent) und schmecken typischerweise süßer und aromatischer. Und im Idealfall paaren sie sich beide im Glas mit Eiswürfeln und Spirituosen.
Vier Wermut-Drinks aus der Münchner Negroni-Bar
Americano
3,5 cl Sweet Vermouth,
3,5 cl Campari, 4 cl Soda
+ Orangenscheibe
+ Zitronenzeste
Zubereitung: Wermut und Campari auf Eiswürfel gießen, mit Orangenstück verrühren und mit etwas Soda auffüllen. Darüber Zitronenzeste ausdrücken.
Adonis
2,5 cl Sweet Vermouth,
4,5 cl Sherry, trocken
(Fino oder Manzanilla),
2 Dashes Orange Bitter
Zubereitung: Alle Zutaten in ein mit vielen Eiswürfeln gefülltes Rührglas geben und ca. 15 Sekunden gut verrühren. In vorgekühltes Martini-Glas abseihen.
Signorina Negroni
2 cl Gin, 1,5 cl Limoncello,
2,5 cl Vermouth Bianco (Bordiga Bianco oder Carpano Bianco),
1,5 cl Campari + Zitronenzeste
Zubereitung: Alle Zutaten auf Eiswürfel gießen und verrühren. Darüber Zitronenzeste ausdrücken.
Boulevardier
2,5 cl Rye Whiskey,
2,5 cl Sweet Vermouth,
2 cl Campari + Orangenzeste
Zubereitung: Alle Zutaten im Rührglas auf vielen Eiswürfeln gut verrühren. In ein Glas auf Eis abseihen. Darüber Orangenzeste ausdrücken.
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