Von vielen Kritikern wurde „Yellowstone“ anfangs ziemlich abgewatscht. Die Serie war verschien als „anti-woke“ und „rechte Propaganda“. Und oberflächlich betrachtet mag „Yellowstone“ auch erst einmal klingen wie der feuchte Traum eines jeden Republikaners und Trump-Fans. Doch diese Vorwürfe werden der Serie in keiner Weise gerecht. „Yellowstone“ mag zwar im ersten Moment an konservative Seifenopern der 1980er wie „Dallas“ oder „Denver-Clan“ erinnern. Doch genauso hat sie auch einen kritischen Blick auf das Zeitgeschehen und packende Momente, die selbst die Wendungen und Intrigen in „Game of Thrones“, „Breaking Bad“ und „House of the Dragon“ teilweise alt aussehen lassen. Und das macht „Yellowstone“ zu einer der besten Serien der letzten Jahre!
Serien-Tipp: Darum geht's in „Yellowstone“ mit Kevin Costner
Angrenzend an den Yellowstone-Nationalpark in Montana liegt die größte Ranch der USA. Sie ist seit knapp 150 Jahren in Familienbesitz und gehört dem Witwer John Dutton (Kevin Costner), der über sein Land gebietet wie ein skrupelloser König. Selbst vor Gewalt und Mord schreckt der knallharte Patriarch nicht zurück, wenn es darum geht, Ranch und Familie zu verteidigen. Seine Tochter Beth (Kelly Reilly), seine Söhne Kayce (Luke Grimes) und Jamie (Wes Bentley) und seine indigene Schwiegertochter Monica (Kelsey Asbille) stehen ihm dabei so treu zur Seite wie die Handvoll gebrandmarkter Cowboys der Ranch unter der Führung des Vorarbeiters Rip (Cole Hauser).
Und die Unterstützung von ihnen allen braucht John auch. Denn er hat viele Feinde, die es allesamt auf seine Ranch abgesehen haben. So will nicht nur ein Indianerstamm das Land zurück, das ihnen Johns Vorfahren einst gestohlen haben. Auch werfen immer wieder skrupellose Geschäftsleute ein Auge auf das gigantische Tal – und auch die schrecken nicht davor zurück, ihre Interessen mit Waffengewalt zu untermauern. Doch John und seine Familie weichen keinen Zentimeter zurück. Vielmehr gehen sie selbst mit dem Repetiergewehr bewaffnet in Angriffsposition, um die Eindringlinge abzuwehren.
Serien-Tipp: „Yellowstone“ zeigt das wahre Gesicht der USA
Keine Frage: Costners John Dutton ist alles andere als ein strahlender Held. Er ist ein konservativer, alter, weißer Mann, der alles Fremde verabscheut und jeglichen Veränderungen mindestens kritisch gegenübersteht. Und mindestens genauso rückständig, gar hinterwäldlerisch mag auch seine Umgebung anmuten.
Doch Propaganda wird bei „Yellowstone“ dafür keine gemacht. Die Serie stellt sich auf keine Seite. Vielmehr zeigt sie die Realität, das wahre Gesicht der Vereinigten Staaten von Amerika. In „Yellowstone“ sind wir nämlich ganz weit weg vom sonst so glamourösen Leben in den Großstädten, wo die meisten Filme und Serien in den USA spielen. Hier wird die harte Realität in den Mittelstaaten gezeigt, das einfache und entbehrungsreiche Farmerleben inmitten wunderschöner und teils unberührter Natur. Genauso wie der Frust der dortigen Bevölkerung, deren Belange in den Metropolen Washington D.C., New York und Los Angeles keine Rolle spielen und denen nur Abneigung und Arroganz entgegenschwappt. Auch die miserable Lebenssituation der Ureinwohner und Ureinwohnerinnen zwischen Drogensucht und Armut wird hier skizziert. Dabei werden sie alle von tatsächlichen Mitgliedern indigener Völker gespielt, was noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.
Konservative Propaganda ist das nun also wirklich nicht. Doch wen wundert's, steckt doch der geniale Taylor Sheridan hinter „Yellostone“. Der hat als Drehbuchautor von Hits wie „Sicario“, „Hell or High Water“ und „Wind River“ bereits die USA samt Politik und Gesellschaft demontiert – und das ausgerechnet mit dem amerikanischsten aller Genres, dem Western. Bei „Yellowstone“ tut Sheridan das nun wieder.
Die Serie fungiert als kritischer Spiegel, ist ein Abgesang auf die „guten, alten Zeiten“, eine Warnung vor der Moderne und eine Anklage an den American Way of Life. Costner ist dabei das alte Amerika, das sich noch gegen das neue auflehnt. Sein Umfeld, vor allem seine Kinder, repräsentieren wiederum andere Strömungen und Stereotypen des Landes. Und so kracht es immer wieder. Am Ende können alle Parteien eben nicht mit- und ohneeinander – wie eben auch in den USA. Somit gibt es hier auch allerlei Intrigen, Dramen und Wendungen, die einen am Bildschirm kleben lassen.
Nervige Klischees wird man in „Yellowstone“ auch nicht viele finden – egal, ob gegenüber Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft. Hier gibt's Cowboys, die tagsüber Bären jagen und nachts ihre emotionalen Narben pflegen müssen. Die Frauen sind nicht schwach, stehen nicht am Herd, sondern packen mit an und greifen auch beherzt zur Waffe. Und auch die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner werden nicht als edle oder hinterhältige Wilder porträtiert, sondern als Menschen, die für ihre Rechte kämpfen. Das wahre Gesicht der USA also.
Serien-Tipp: In den USA ist der Hype um „Yellowstone“ ungebrochen
Im deutschsprachigen Raum nimmt bisher aber kaum jemand von „Yellowstone“ Kenntnis. So richtig wundert das nicht, konnte man die Serie bis Dezember 2022 nur bei Magenta TV und Amazon Prime Video anschauen – und auch nur dann, wenn man den Channel Sony AXN zum bestehenden Abo dazugebucht hat. Mit dem Start von Paramount+ könnte „Yellowstone“ nun aus dem Nischendasein ausbrechen. Zumal der Streamingdienst mittlerweile auch hierzulande mit der Serie immer öfter Werbung macht.
Außerhalb Deutschlands, vor allem in den USA, ist der Hype um „Yellowstone“ ungebrochen. Mit „1883“ gab es bereits eine erste Serie, die die Vorgeschichte der Duttons erzählt. Kritiker wie Zuschauer liebten sie. Gleiches gilt für das Spin-off „1923“ mit Harrison Ford und Helen Mirren in den Hauptrollen. Außerdem ist mit „6666“ ein weiterer Ableger in der Mache. Zuletzt bekam dann auch noch Kevin Costner einen Golden Globe für seine grandiose Darstellung des komplexen Patriarchen.
Vielleicht schwappt der Hype ja jetzt endlich zu uns. Am 1. April startet zumindest die vierte Staffel von „Yellowstone“ bei Paramount+. In den Wochen darauf soll dann auch „1923“ folgen. Die Anerkennung hätten die Serie und ihre Ableger auf jeden Fall verdient.
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