Herr Werner, den Traum, Football-Profi zu werden, träumen viele. Wenn man nicht aus den USA kommt, ist das sicher noch schwieriger. Wie wird man – als Junge aus Deutschland – Football-Profi in der NFL?
Es gibt darauf keine kurze Antwort, aber ich probiere es. Die Chance in die NFL zu kommen, liegt schon für Amerikaner bei etwa 1,5 Prozent. Der Einstieg in die NFL ist also bereits als Amerikaner sehr schwierig und der Besuch eines Colleges ist zwingend erforderlich. Mit 14, 15 hatte ich einen Coach bei den Berliner Adlern, der hat mir gesagt „du bist sehr, sehr gut – wir müssen dich so schnell wie möglich nach Amerika schicken!“. Die NFL Europe hatte damals ein Programm, womit sie Nachwuchstalente finanziell unterstützt hat. Ich war einer von wenigen Spielern, die das Glück hatten, dadurch gefördert zu werden. Anders wäre das auch nicht möglich gewesen, denn meine High School in den USA hat pro Jahr 55.000 Dollar gekostet, das hätte meine Familie nie selbst tragen können. Ich bin sozusagen den amerikanischen Weg gegangen, habe mich auf der High School und auf dem College durchgesetzt.
Welchen Tipp haben Sie für junge Footballer, die von der NFL-Karriere träumen?
Aus meiner Sicht sollte man das selbst in die Hand nehmen und nicht auf andere Leute vertrauen. Viele wollen einem gute Ratschläge geben, aber am Ende muss man selbst die Verantwortung für sein Schicksal in die Hand nehmen. Wenn man darauf wartet, ist das Zeitfenster schnell vorbei, in dem man diese Chance hat. Football ist eine so komplexe Sportart, da fehlt es in Europa noch an Knowhow und auch am System. Das Highschool-System in den USA ist gemacht für den Athleten, alles ist auf Kompetition ausgelegt. Das gibt es hier in Europa nicht. Die College-Liga ist daher immer noch die zweitbeste Football-Liga der Welt. Wenn man in die NFL will, geht daran praktisch kein Weg vorbei.
Wann war für Sie der Moment gekommen, an dem Sie erkannten, dass Sie den Sprung geschafft haben?
Das war in meinem zweiten Jahr am College, als die ersten TV-Sender über mich berichteten. Die Amerikaner verfolgen auch die College-Liga im Fernsehen und für die Sender war es spannend, über einen neuen Spieler aus Deutschland zu berichten. Davon gibt es schließlich nicht so viele. Ab dem Zeitpunkt wusste ich, der Traum von der NFL-Karriere kommt näher.
Wie wurden Sie als Deutscher von in den USA empfangen? Der Sport ist nicht typisch deutsch.
Ich war immer „the German“, jeder Spitzname hatte einen deutschen Bezug. Und mein Englisch hatte auch nach 12 Jahren noch einen deutschen Akzent. Ich habe mich aber nie verstellt und habe mich an Arnold Schwarzenegger orientiert, der ja auch für seinen Akzent bekannt ist. Wenn ich erfolgreich war in dem Sport und auf dem Level, auf dem ich gespielt habe, dann war das natürlich auch ein gewisser Respekt: „Schau mal, jemand aus Deutschland kann auch Football spielen“. Ich war stolz darauf, den deutschen Football in den USA zu repräsentieren.
Hatten Sie Probleme mit Vorurteilen?
Nein, ich habe das immer humorvoll genommen und das hat mir auch geholfen. Dadurch das ich „der Deutsche“ war, war es oft ein Gesprächsthema, wenn ich da war. Das war kein Problem! Ich war so fokussiert in die NFL zu kommen, da hatte ich gar keine Zeit, über solche Dinge wirklich nachzudenken. Ich habe einfach mitgelacht, wenn ein Witz kam und habe durch meine Leistung überzeugt. Außerdem konnte ich mich auch verbal immer ganz gut verteidigen.
Auch wir Deutschen haben ein ziemlich klares Bild von den USA. Was hat Sie in Amerika am meisten überrascht?
Was ich den USA zu schätzen gelernt habe, ist die Freundlichkeit. Auch wenn wir Deutschen das oft als aufgesetzt empfinden. Aber ich vermisse das, seit ich wieder in Deutschland bin. Einfach mal die Spannung rausnehmen. Die Amis gehen mit Schlappen und Jogginghose zum Einkaufen, hier muss man sich fast schon aufstylen. Ich glaube, der Ami ist etwas entspannter und relaxter als wir. Das hat gut zu mir gepasst und das vermisse ich auch ein bisschen.
Was war Ihr größtes Karriere-Highlight als aktiver Spieler?
Boah, alles! Ich muss ganz ehrlich sagen, dass nicht nur die Höhen, sondern auch die Tiefen gut für mich waren. Das sehe ich jetzt, wo ich etwas älter werde. Aus den schlechten Situationen konnte ich sehr viel mitnehmen. Das Ganze war ein einziges großes Highlight. Ich würde es genau so wieder machen. Der Football war sehr gut zu mir!
Aber sicher auch kräftezehrend. Wie kann man sich eine gewöhnliche Woche als NFL-Profi vorstellen?
In der Regel sind die Spiele Sonntags. Dann kommt man am Montag rein und analysiert einen halben Tag lang das letzte Spiel. Außerdem macht man Reha, weil der Körper sich nach so einem Spiel sehr, sehr schlimm anfühlt. Während dieser Regenerationsphase versucht man alle guten und negativen Aspekte des Spiels abzuarbeiten. Der Montag ist sozusagen das Ende der Woche für das NFL-Team. Der Dienstag ist frei und am Mittwoch geht es wieder richtig los, mit Training und Meetings. Am Donnerstag ist es genauso. Da ist man von 7 Uhr morgens bis abends um 18 Uhr eingespannt. Freitag ist etwas ruhiger, da ist Abends zum Beispiel Zeit fürs Essengehen. Wenn man zuhause spielt, geht man am Samstag das nächste Spiel durch, man macht letzte Meetings und trifft sich im Hotel. Und Sonntag ist dann Spieltag.
In Ihrem Sport ist das Bild des „harten Kerls“ noch weit verbreitet. Zumindest von außen betrachtet. Zu Recht?
Natürlich ist es ein sehr harter Sport und um sich als Profi durchzusetzen, musst du physisch und mental alle Voraussetzungen erfüllen. Und entschuldigen Sie mir den Ausdruck, aber man muss auch ein kleines Arschloch sein. Man muss sich durchsetzen können und die NFL ist eine der härtesten Sportligen der Welt. Aber abseits des Spielfelds haben natürlich auch Profispieler andere Seiten.
Sie haben jetzt viel von Stärken gesprochen. Männer haben allerdings oft noch mit alten Rollenbildern zu kämpfen, in denen zum Beispiel Männlichkeit mit Stärke gleichgesetzt wird und Schwäche ein „No-Go“ ist. Wie relevant das Thema ist, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag von 8X4: Dreiviertel aller Männer (75,4 Prozent) hatten in ihrem Leben bereits mit einem beruflichen oder privaten Tief zu tun. Im Zuge Ihres Engagements für 8X4 haben Sie sich deshalb auch über Schwächen öffentlich geäußert, etwa über Depressionen unter Profis.
Ich sehe es als Stärke an, offen über Probleme zu reden. So sind im Football auch Depressionen ein Thema. Viele Spieler, die sich öffentlich dazu bekannt haben, wurden kritisiert. Nach meinem Karriere-Ende war ich auch in einem Tief. Jeder hat eine andere Wahrnehmung, was Depressionen sind. Aber darüber zu sprechen, zeigt nach meiner Meinung keine Schwäche, sondern im Gegenteil: Stärke.
Ein großes Thema war zuletzt das Outing von NFL-Profi Carl Nassib. Wie haben Sie die Nachricht wahrgenommen?
Ich habe sein Statement in den sozialen Medien gesehen und ich finde es gut, dass er das gemacht hat. Leider leben wir noch immer in einer Gesellschaft, in der nicht jeder gleichermaßen toleriert und akzeptiert wird. Dabei sollte doch jeder tun, was er möchte, solange er niemandem etwas Böses will. Deswegen war das Outing für mich wirklich ein Gänsehautmoment. Vorher, zu meiner aktiven Zeit, gab es bereits Michael Sam. Er hatte sich vor dem Draft geoutet und wurde der erste öffentlich homosexuelle NFL-Spieler. Ob Nassib oder Sam – ich finde das sehr mutig! Man darf nicht vergessen, dass die USA sehr religiös sind. Ich finde das super, dass solche Zeichen gesetzt werden. Das zeigt Stärke! Und ich bin auch froh, dass diese Spieler sich nicht verstecken müssen. Es ist schön, den Support zu sehen, den Carl Nassib jetzt bekommen hat. Das sollte grundsätzlich im Sport so sein!
Ihr Engagement und Ihr Einstehen für solche Meinungen hat die Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt. Nun sind Sie neben Collien Ulmen-Fernandes eines der neuen Gesichter von 8X4. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Ich wurde kontaktiert und freue mich sehr über diese Anerkennung. Mir hat die Ausrichtung der Marke sehr gut gefallen: 8X4 geht konsequent und mutig neue Wege und glaubt an ein frisches Mindset durch Toleranz, Offenheit und Individualität. Das hat einfach super zu mir gepasst. Ich habe viele Dinge anders gemacht, bin aus einer kleinen Wohnung in Berlin-Wedding nach Amerika in die große Welt der NFL und habe mich durchgebissen. Das hatte ich dabei im Kopf. Natürlich steht hier das Deo von 8X4 im Vordergrund, aber auch die Marke American Football profitiert davon. Wenn ich jetzt den Werbespot sehe, in dem ich in Football-Montur zu sehen bin, dann ist das auch Werbung für meinen Sport und so entwickeln sich die Themen American Football und 8X4-Deodorants gemeinsam weiter.
Das zeigt, welchen Stellenwert Football mittlerweile in Deutschland hat. Sie sind aktuell als Football-Experte in Deutschland aktiv. Wie verfolgen Sie die Entwicklung des Sports hierzulande?
Die Entwicklung in den letzten fünf Jahren ist wirklich unfassbar. Jedes Jahr steigt das Interesse. Das merke ich auch persönlich. Als ich noch aktiver Spieler war, haben mich wenige auf der Straße erkannt. Jetzt, wo ich als Experte im Fernsehen zu sehen bin, werde ich immer häufiger angesprochen. Es ist wirklich aufregend, dass Football diese Popularität erfährt. Die NFL plant nächstes Jahr ein Spiel hier in Deutschland, das gab es noch nie. Ich bin mir sicher, dass das Stadion innerhalb kürzester Zeit ausverkauft sein wird. Das wird die Beliebtheit noch weiter fördern und Deutschland ist außerhalb von Nordamerika bereits der wichtigste Markt für die NFL. Das macht mich unheimlich glücklich! Ich bin Footballer, liebe den Sport und finde es spannend, diese Entwicklung zu sehen.
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