Herr Pahl, Herr Bauer, Sie haben vor 25 Jahren gemeinsam Fun Factory gegründet, die erste Sex-Toy-Marke Deutschlands. Wenn Sie heute mit jemandem ins Gespräch kommen, was erzählen Sie, was Sie beruflich machen?
Dirk Bauer: Das kommt wirklich auf den Kontext an. Ich kann aber für uns beide sprechen, wenn ich sage, dass wir uns für das, was wir machen, nicht schämen. Ich sage meistens, dass ich Geschäftsführer eines Unternehmens bin. Wenn jemand mehr Interesse hat und mehr wissen will, erzähl ich gerne auch mehr. Und dann frag ich auch nach, ob mein Gegenüber die Marke Fun Factory kennt.
Michael Pahl: Ich hab‘ einmal gesagt, dass ich in der Entwicklung bei einem Kunststoff-verarbeitenden Betrieb arbeite. Dann ist das Thema schnell durch. (lacht) Wenn man aber die Katze aus dem Sack lässt, dann bekommt man wirklich viele Fragen und die Leute sind da sehr neugierig. Besonders am Anfang war das immer sehr lustig und aufregend.
Wie kann man sich die Stimmung damals vorstellen, als Sie beide herumtüftelten und schließlich Fun Factory gründeten?
Michael Pahl: Wir kannten uns ja beide bereits aus unserem Studium und ziemlich am Ende des Studiums kam diese Sache auf uns zu. Das war natürlich hochspannend und euphorisierend. Wir haben dafür echt gebrannt! Jeden Abend haben wir uns ausgetauscht und gearbeitet. Damals wussten wir aber noch nicht, dass das mal unser Beruf wird. Es war eher ein intensives Hobby. Aus heutiger Sicht ist das schon verrückt. Auf unserem kleinen Küchentisch wurde es schnell zu eng. Ich habe das sehr genossen, das war regelrecht berauschend! Vor allem, dass schnell Interesse da war und positives Feedback von vielen Seiten kam und Menschen unsere Produkte haben wollten.
Wie muss man sich den Markt zu der Zeit, als Sie beide begannen, erste Toys zu bauen, vorstellen?
Dirk Bauer: Damals waren Sex Toys in der Regel Produkte für Männer. Die gesamte Erotikbranche war männerdominiert und es ging um Porno. Die Toys waren sowohl von der Qualität als auch von der Ansprache darauf ausgerichtet, dass Männer sie nutzen. Auf der Verpackung war ein Porno-Modell, die Qualität war unter aller Kanone. Niemand ist auf die Idee gekommen, dass ein Vibrator für Frauen geeignet ist und man die Kunden direkter ansprechen könnte. Die Produkte kamen aus China, sehr günstig produziert. Die meisten Teile waren auch eher Wegwerfprodukte.
Michael Pahl: Auch die Farbpalette war überschaubar, da gab es keine bunten Farben wie heute. Das war alles fleischfarben oder beige. Ab und zu waren auch mal schwarze Toys dabei, das war dann aber der Gipfel der Kreativität. Das Material war möglichst preiswert, meistens PVC. Ob da Weichmacher oder sonstige Giftstoffe drin waren, hat niemanden wirklich interessiert. Und dann kamen wir und plötzlich war es bunt.
Herr Bauer, Ihre damalige Frau hatte nach einem TV-Beitrag über den ersten Erotikladen für Frauen die Idee, auch ein Geschäft zu eröffnen. Neben dem Geschäft Ihrer Frau in Bremen entstand schließlich auch die Idee zum eigenen Sextoy. Wer waren die ersten, mit denen Sie über Ihr Vorhaben gesprochen haben?
Dirk Bauer: Meine damalige Frau war natürlich eine wichtige Ansprechpartnerin. Aber auch die Stammkundinnen aus ihrem Geschäft, auch Kolleginnen. Es entwickelte sich rund um diesen Laden eine Art Community. Wichtig war auch schon damals die schwul-lesbische Community.
Auf welche Schwierigkeiten sind Sie bei Ihrem Vorhaben gestoßen?
Dirk Bauer: Wir wollten von Anfang an die Fun Factory sein, also Produkte herstellen. Es war uns von Beginn an wichtig, dass die Materialien angenehm sind, sich gut anfühlen und nicht unangenehm riechen. Das Ganze musste ja irgendwie hergestellt werden. Allerdings wusste damals niemand, wie man mit den unterschiedlichen Materialien arbeitet. Das war die erste Hürde. Die Zweite war: Als wir wussten, wie man damit arbeitet, wurde uns klar, dass dafür Maschinen notwendig sind, die eine halbe Million Mark kosten würden. Am Anfang haben wir mit Biergläsern, Zahnstochern und Knete herumexperimentiert. Im Rückblick mussten wir wahnsinnig kreativ werden.
Michael Pahl: Man muss auch bedenken, dass es damals kein Internet gab. Man konnte nicht eben eine Anleitung aus dem Netz ziehen, wie man Silikon verarbeiten muss. Wir mussten viel herumfragen und telefonieren. Aus heutiger Sicht war das sicher kompliziert und ein steiniger Weg, aber das war damals die Normalität. Heute kann man allerdings auch in fast jedes Bastelgeschäft gehen und sich unterschiedliche Silikonmischungen kaufen. Auch das gab es damals nicht. In der Zwischenzeit ist viel passiert.
Das klingt nach echter Pionierarbeit. Ihre Arbeit ist auf der einen Seite sehr technisch, auf der anderen Seite haben Sie sich viel mit dem menschlichen Körper und Sex auseinandergesetzt. Hat die Arbeit Sie offener gemacht?
Michael Pahl: Ja, total! Das Thema war allgegenwärtig und plötzlich bekam man unterschiedlichste Sichtweisen. Und man hätte sonst nie im normalen Alltag darüber gesprochen. So hat man sich aber täglich damit beschäftigt und so mancher ist auch von sich aus auf einen zugekommen und hat sich geöffnet. Das ist auch ein komischer Effekt dieses Berufs: Viele Leute kommen auf einen zu und halten einen für eine Art Therapeut. Da hört man auch mal Dinge, die man eigentlich gar nicht wissen will. Für die eigene Entwicklung und Körpereinstellung war das aber sehr gut, ich möchte das alles nicht missen.
Gab es auch Menschen, die Ihr Vorhaben nicht verstanden und kritisierten?
Dirk Bauer: Bei mir definitiv. Meine Familie hat das nicht verstanden, ich hatte ja „etwas Anständiges gelernt“, da hieß es dann: „Du bist doch jetzt Ingenieur, du kannst doch bei einem anständigen deutschen Unternehmen arbeiten!“ Da gab es sicher einige, die das nicht so toll fanden. Hinzu kam, dass wir am Anfang kein Geld hatten. Wir hatten keine Investoren und dadurch war das Geld knapp. Das war in dieser Lebensphase auch nicht leicht. Aber auf der anderen Seite hatten wir wahnsinnig viel Spaß!
Michael Pahl: Die Zweifler gab es natürlich. Wären wir mit unserer Idee auf die Nase gefallen, hätten die sich natürlich bestätigt gefühlt. Aber es kam ja anders. Nach rund einem Jahr legten sich die kritischen Stimmen. Über uns wurde in den Medien berichtet und wir gingen unseren Weg weiter.
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Heute gibt es viele Marken, die den Sex-Toy-Markt bespielen. Was ist die Besonderheit an Fun Factory?
Dirk Bauer: Also zum einen ist Fun Factory die erste Sex-Toy-Marke, die es gab. Damit konnten wir uns etablieren und das unterscheidet uns von allen anderen. Zudem bezeichnen sich zwar viele als Hersteller, aber nicht jeder stellt seine Produkte tatsächlich selbst her. Wir machen das, haben eine Fabrik als Rückgrat unseres Unternehmens. Dadurch durchdenken wir Sextoys von A bis Z, wir wissen genau, was wir tun. Wir kennen unsere Kundinnen und Kunden sehr genau, kennen die Bedürfnisse. Daraus lassen sich Produkte viel besser entwickeln, bauen und testen. Alle anderen lassen irgendwo im Ausland produzieren, davon unterscheiden wir uns deutlich. Wir denken darüber nach, welche Bedürfnisse und Probleme unsere Kundinnen und Kunden haben könnten und wie wir diese mit einem Produkt überwinden können. Von da an werden erste Prototypen gebaut und die Idee getestet und weitergesponnen. Das führt zwangsläufig dazu, dass wir uns sehr lange mit diesen Ideen beschäftigen und unsere Produkte am Ende sehr durchdacht und ausgereift sind.
Wie lange dauert es von der Idee zum fertigen Produkt?
Dirk Bauer: Bei einem eher einfachen Produkt, wie einem Dildo, kann es schnell gehen. Aber auch da nehmen wir uns ausreichend Zeit für Tests. Wir holen Meinungen ein und schauen, ob wir noch Dinge verbessern können. Das kann drei bis sechs Monate dauern. Bei aufwändigeren Produkten können auch zwei bis drei Jahre vergehen.
Heute sind Sex Toys in der Mitte der Gesellschaft angekommen, es gibt ein unüberschaubares Sortiment. Wie findet man da noch neue Ideen?
Michael Pahl: Zum einen bekommen etablierte Produkte bei uns ein Upgrade, wenn dieses sinnvoll ist und wir es dadurch verbessern können. Wir denken viel darüber nach, was unserer Kundschaft noch fehlen könnte. Unsere Kundinnen und Kunden sollen unsere Toys verstehen und wirklich brauchen. Es bringt nichts, das Sortiment aufzublasen und jedes Produkt in 80 Farben anzubieten. Man muss ja nur mal schauen, was es allein bei Amazon gibt. Das muss alles hergestellt werden, landet aber langfristig im Elektroschrott und verschmutzt die Umwelt. Dahinter steckt keine Logik. Wir möchten einen anderen, unseren Weg gehen.
Dirk Bauer: Wir wollen auch keine Trends mitmachen, die gerade erfolgreich sind. Solche Nachahmerprodukte möchten wir nicht. Wir sehen uns als Nischenhersteller und deutsches Qualitätslabel. Wir wollen weder der größte noch der billigste Hersteller sein. Wir müssen uns deshalb sehr sauber positionieren. Ein wichtiger Faktor bei Neuheiten kann eine neue Technologie sein, also ein neuer Antrieb oder ein neues Material. Da kommen wir dann schnell ins Nachdenken und überlegen, was man damit anstellen könnte.
Wie oft kommt es vor, dass Leute auf Sie zukommen und ihre Ideen mit Ihnen teilen?
Dirk Bauer: Das gibt es jeden Tag, damit sind unsere Aktenschränke voll. Es gibt wirklich sehr viele Leute, die auf uns zukommen. Und wir schauen das auch immer an. Wir haben die Weisheit ja nicht für uns gepachtet, auch wir sind ganz normale Menschen. Diese Ideen können sehr spannende, innovative Sachen sein. Es gibt auch tatsächlich Sachen, die wir auf Basis von Ideen gebaut haben, die von außen an uns herangetragen wurden.
Michael Pahl: Wichtig ist natürlich auch das Feedback aus dem Vertrieb und unseren Läden. Auch da gibt es natürlich viele Wünsche, die bei uns ankommen.
Die angesprochenen Läden sind typisch für Fun Factory. Welche Rolle spielen diese Stores für Fun Factory?
Dirk Bauer: Wir wollen eine Nähe zu unserer Kundinnen und Kunden ermöglichen. Das war die Idee hinter den Geschäften in den Städten. Hier kommt man ins Gespräch, hier sieht man die Perspektive der Kundinnen und Kunden. Außerdem erhöht das natürlich unsere Sichtbarkeit. Wenn wir in Städten wie Berlin oder München Stores eröffnen, sehen uns jeden Tag tausende Menschen. Hier kann man unsere Produkte sehen, die Marke erleben. Wenn ich in einen Fun Factory-Store gehe, dann bin ich ein Teil dieser Bewegung, bin Teil einer bestimmten Community.
Zu Beginn stand die weibliche Kundschaft im Zentrum. Heute gibt es Toys für alle Geschlechter und auch Paare. Wer ist Sex Toys gegenüber aufgeschlossener – Frauen oder Männer?
Dirk Bauer: Definitiv Frauen. Aber nicht nur das Geschlecht ist entscheidend, auch die Nationalität. Ein italienischer Mann würde zum Beispiel nie zugeben, dass er ein Sex Toy nutzt. Aber ja, die Frauen sind offener, beginnen zu experimentieren und kaufen vielleicht sogar mehrere unterschiedliche Toys. Männer kaufen sich dagegen eher eins und nutzen das gelegentlich.
Michael Pahl: Da zeigen sich auch die klassischen Rollen ein bisschen. Wir Männer sind einfach nicht die größten Helden darin, über Gefühle und Sex zu sprechen. Ich habe es immer so wahrgenommen, dass Frauen mehr über den menschlichen Körper wissen als Männer. Bei Frauen gibt es ein größeres Körperbewusstsein, allein schon dadurch, dass sie sich viel mehr mit der Fortpflanzung auseinandersetzen müssen. Sie schenken ihrem Körper mehr Aufmerksamkeit. Da sind wir Männer nur in der zweiten Reihe.
Wie gut kennen Sie beide den weiblichen Körper?
Michael Pahl: Super! (lacht). Ich habe noch keinen Mediziner-Titel, aber ich würde mir schon zutrauen, mitzureden. Über die Jahre hört man viel und sammelt Erfahrungen, aber das ist natürlich immer nur das, was andere einem sagen. Wir hören sehr viel und aufmerksam zu, aber ich werde da natürlich immer Theoretiker bleiben.
Dirk Bauer: Rein statistisch könnte man sagen, dass 87 Prozent der Frauen es mögen, wenn ich dieses und jenes mache. Aber das heißt nicht, dass das bei jeder zutrifft. Im Bereich der Sexualorgane wissen wir aber schon das ein oder andere.
Sie haben nicht nur Ihre Branche in den letzten 25 Jahren intensiv mitgestaltet, sondern sicher auch unsere Gesellschaft aus einem gewissen Blickwinkel betrachtet. Sind wir als Gesellschaft in Sachen Sex offener geworden?
Dirk Bauer: Die Branche ist auf jeden Fall professioneller geworden, keine Frage. Bei der Gesellschaft finden Wellenbewegungen statt. In den 90ern und 2000ern wurde in der Öffentlichkeit wahnsinnig viel über Sex gesprochen. Vor allem die Fernsehsendungen und auch Erotikmessen waren sehr populär. In der primären Öffentlichkeit hat sich das Thema Sex heute zurückgezogen und findet eindeutig mehr im Privaten statt. Da wird dann aber wiederum sehr offen gesprochen, vor allem die jüngeren Generationen reden sehr offen. Insgesamt hat sich natürlich vieles ins Internet verschoben, dort findet man ja alles.
Wie sieht eigentlich der typische Fun Factory-Kunde aus?
Dirk Bauer: Wenn man eine klassische Glockenkurve zeichnen würde, dann bekäme jede deutsche Frau zu ihrem 30. Geburtstag einen Fun Factory-Vibrator geschenkt. Das wäre so ziemlich der Peak. Aber natürlich haben wir auch 80-jährige oder 18-jährige Kundinnen und Kunden.
Sie beschäftigen rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gibt es so etwas wie einen typischen Fun Factory-Mitarbeiter?
Michael Pahl: Von der Entwicklung zur Technik gibt es hier viele, kleine Organe. Da gibt es eine lange Kette, von der Herstellung bis zur Verpackung. Da hat sich viel getan, seit wir gemeinsam am Küchentisch gebastelt haben.
Dirk Bauer: Wir stellen uns allerdings nicht die Frage, wie jemand sein muss, damit er für uns arbeiten kann. Es gibt einige Dinge, die vorhanden sein müssen. Eine gewisse Offenheit für Sexualität natürlich. Wir dulden keine Diskriminierung jedweder Art, das ist uns wichtig.
Arbeiten bei Fun Factory mehr Männer oder mehr Frauen?
Dirk Bauer: Das ist relativ ausgeglichen, die Frauen sind aber in der Mehrheit.
Gab es eine Überraschung bei Ihrer Arbeit, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Dirk Bauer: Manchmal ist man von einem Erfolg überrascht, manchmal von einem Misserfolg. Ich denke an unseren allererster Share-Vibrator, der für lesbische Paare gedacht war. Wir hatten davon einige wenige verkauft, plötzlich gingen die Zahlen aber durch die Decke. Wir konnten uns das anfangs nicht erklären, bis wir herausfanden, dass wir im Prinzip das ultimative Toy zum „Pegging“ gebaut haben. Unsere Kundschaft hat das sofort gecheckt, nur wir nicht. (lacht)
Michael Pahl: Die größte Überraschung hatten wir vermutlich am Anfang, als wir plötzlich merkten, wie groß unsere Idee ist. Wir sind gar nicht mehr hinterhergekommen, die Papierrolle unseres Faxgeräts zu wechseln. Wir wurden regelrecht überrannt!
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