Im Formel-4-Racer über den Nürburgring heizen? Unser Autor hat's getan

Rennfahrer für ein paar Runden: Playboy-Redakteur Michael Brunnbauer macht sich auf dem Nürburgring den Traum von der Fahrt im Formel-Wagen wahr
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography
Rennfahrer für ein paar Runden: Playboy-Redakteur Michael Brunnbauer macht sich auf dem Nürburgring den Traum von der Fahrt im Formel-Wagen wahr
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography

Einmal im Leben mit einem Formel-Rennwagen über eine Rennstrecke zu fahren – das ist der Traum vieler  Motorsport-Fans. Unser Autor hat ihn wahr gemacht und heizte mit einem echten Formel-4-Wagen über den Nürburgring

Von: Michael Brunnbauer
15.10.24
Alle Artikel

Für alle, die es nicht wissen: Die Formel 4 ist eine Nachwuchsserie für angehende Rennfahrer, irgendwo zwischen Kartsport und Formel 3 angesiedelt. In Deutschland wurde sie Ende 2022 eingestellt, doch die Betreiber des Nürburgrings haben sich einige der damals verwendeten Fahrzeuge sichern können. Nun dürfen in diesen Autos ambitionierte Hobby-Rennfahrer für einen Preis ab 449 Euro (mehr Infos siehe www.nuerburgring.de) auf dem Nürburgring ein paar Runden drehen. Das musste ich als Motor-Chef des Playboy natürlich unbedingt ausprobieren.

Bereit zum Gasgeben: Ein Rennhelm ist auf dem Nürburgring natürlich Pflicht
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography

Im Formel-Wagen auf dem Nürburgring: So wichtig ist das eigene Können auf der Rennstrecke

Bevor es losgeht, sitze ich mit 18 anderen Waghalsigen in einem Schulungsraum. Der Instrukteur Klaus Panchyrz erklärt uns, wie wir uns in verschiedenen Situationen verhalten sollen, insbesondere wenn eine rote oder gelbe Flagge geschwenkt wird, wann wir die Erlaubnis zum Überholen haben und wann nicht. 

Wir fahren in drei Gruppen, sprich: Es werden immer sechs Fahrzeuge (plus Instrukteur) gleichzeitig auf dem Ring unterwegs sein. Wir erfahren auch, dass ein Formel-4-Wagen weder elektronische Stabilitätssysteme, Torque Vectoring oder andere Assistenzprogramme besitzt. Das Einzige, was in der Kurve das Ausbrechen des Hecks verhindern kann, ist also unser eigenes Können. Selbst ein Antiblockiersystem, seit vielen Jahrzehnten Standard in jedem Straßenfahrzeug, sucht man hier vergeblich. 

„Drückst du im Scheitelpunkt der Kurve einen Tick zu früh das Gaspedal durch“, sagt Panchyrz, „dreht sich dein Wagen um 180 Grad, und du kannst versuchen, die Kurve rückwärts zu fahren.“ Alle 18 Fahrer lachen – und schauen einander gleichzeitig leicht verunsichert an.

Folgen Sie uns auf

Im Formel-Wagen auf dem Nürburgring: Nur wenige Zentimeter liegen zwischen Hinterteil und Asphalt

An der Rennstrecke angekommen, stehen unsere sechs Fahrzeuge in Rennformation in der Boxengasse. Mein Wagen trägt die Nummer vier und wirkt auf den ersten Blick wie eine leicht geschrumpfte Version eines Formel-1-Wagens. Statt knapp 1000 Pferdestärken generiert dieser 1,4-Liter-Turbomotor gerade mal 160 PS, kaum mehr als ein herkömmlicher 3er- BMW. Doch die harmlos wirkende Zahl ist trügerisch. Man darf nämlich nicht vergessen, dass dieser Leistung ein Gewicht von nur 455 Kilo entgegensteht. Das entspricht dem Leistungsgewicht eines Porsche 911 GT3, bei dem circa 500 PS auf 1500 Kilo treffen. 

Der Formel-Kurs am Nürburgring ist für Anfänger ausgelegt, man benötigt nur einen führerschein und keine Rennlizenz. Ein bisschen Rennerfahrung ist aber trotzdem von Vorteil
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography

Schon das Einsteigen ist speziell. Um überhaupt in den Fahrersitz zu gelangen, muss ich zunächst das Lenkrad mit einem Klick entfernen, dann kann ich mich vorsichtig nach unten ins Cockpit gleiten lassen. Nur wenige Zentimeter liegen jetzt noch zwischen meinem Hinterteil und dem Asphalt, so tief sitzt man in diesem Rennwagen. Obwohl sitzen vielleicht das falsche Wort ist, vielmehr liegt man im Inneren des Formel-4-Wagens flach wie in einer Badewanne. 

Ich trete die Kupplung durch, die Mechaniker starten von außen die Motoren, und im Leerlauf lasse ich den Wagen (es geht leicht abwärts in der Boxengasse) anrollen. Die Rennkupplung des Formel-4-Wagens kommt extrem spät und extrem hart. Gott sei Dank muss ich nur den ersten Gang mit dem Fußpedal einkuppeln, jeder weitere Gang lässt sich automatisch über das Betätigen der Wippen am Lenkrad einlegen. Doch wer jetzt ein entspanntes Doppelkupplungsgetriebe im Kopf hat, wie man es von Sportwagen wie Porsche oder Ferrari kennt, liegt falsch. Jeder Gang donnert mit einem brachial lauten Klacken ins Sadev-Racing-Getriebe, dagegen hört sich ein Heavy-Metal-Konzert wie Yoga-Meditationsmusik an.

Ein Rennwagen dieser Klasse besitzt zwar nur 160 PS, schafft aber den Spurt auf 100 km/h in nur 2,8 Sekunden – genauso schnell wie ein Porsche 911 Turbo S mit 650 PS
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography

Im Formel-Wagen auf dem Nürburgring: Viel direkter kann eine Lenkung nicht sein

Die ersten Runden fahre ich sehr vorsichtig, besonders weil ich diesen Abschnitt des Rings noch nicht kenne und es sich seltsam anfühlt, mittig im Fahrzeug zu sitzen. Noch seltsamer ist das Open-Chassis-Feeling, denn anstatt einer Windschutzscheibe trennt mich nur das Plastikvisier meines Helms von der frischen Luft und dem Fahrtwind. Ich sehe, wie sich die Reifen vor mir mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit drehen und bei jeder meiner Drehungen am Lenkrad entsprechend nach links oder rechts einschlagen. Viel direkter kann eine Lenkung nicht sein. 

Die Formel 4 wurde in Deutschland sie Ende 2022 eingestellt. In den Wagen fahren kann man trotzdem noch: Die Betreiber des Nürburgrings haben sich einige der damals verwendeten Fahrzeuge sichern können
Credit: Sven Siebel | Gruppe C Photography

Im Formel-Wagen auf dem Nürburgring: Die rote Flagge wird gehisst

Nach etwa fünf Minuten Eingewöhnungszeit trete ich das Gaspedal fester durch, bremse die Kurven später ein und taste mich langsam an mein persönliches Limit heran. Gerade als ich mich an die Strecke und den immer gleichen Tanz aus Gas, Bremse und Lenkung gewöhnt habe, passiert es. Der Fahrer mit der Nummer drei vor mir touchiert bei der Einfahrt in die nächste Kurve die rot-weißen Curbs am Rand der Strecke und nimmt dadurch zu viel Schwung auf. 

Wie in Zeitlupe sehe ich, wie er die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und sich um die eigene Achse dreht. Mein Puls geht gefühlt auf 180, ich steige instinktiv wie alle anderen Fahrer in die Bremsen, während Nummer drei mehrere Meter weit über die Fahrbahn schlittert, bis ihn die Leitplanke mit einem lauten Knall zum Stehen bringt. Hinterachse und Flügel hängen völlig zerstört an der Seite herunter. Die rote Flagge wird gehisst, und eine Runde später fahre ich mit den verbliebenen Fahrzeugen zusammen in die Boxengasse. Wie wir später erfahren, ist dem Unfallfahrer zum Glück bis auf den Schreck nichts passiert.

 

Mehr Motor & Mobility

Wir haben im Gelände ausprobiert, wie sich der Elektro-G im Vergleich zum Achtzylinder macht
Freuen Sie sich auf diese Themen rund um Motor & Mobility in der November-Ausgabe des Playboy
E-Auto-Genie Mate Rimac über seine Vorbilder und die Zusammenarbeit mit dem Europa-Park Rust

Während unseres Boxenstopps fängt es an zu regnen. Mit Regenschirm sitze ich im Cockpit, während die Mechaniker um mich herum die Reifen wechseln. Obwohl es nur leicht regnet, wollen nach diesem Unfall alle auf Nummer sicher gehen. Ein paar Minuten später kommt das Startsignal, und dieses Mal würge ich – womöglich wegen der Aufregung – den Motor prompt beim Anfahren ab. Beim zweiten Versuch klappt es. 

Man merkt die Anspannung auch bei den anderen Fahrern, der Unfall und die nasse Fahrbahn fordern ihren Tribut und unsere höchste Konzentration. Für eine kurze Sekunde denke ich, das sei vielleicht meine Chance, mich wie einst Ayrton Senna als Regengott zu beweisen und an die Spitze des Feldes zu setzen. Aber wir wissen ja alle, wie das für Senna ausging. Also genieße ich meine letzten Minuten auf der Rennstrecke. 

Ein einzigartiges Erlebnis, für das ich sehr dankbar bin. Genauso dankbar bin ich allerdings auch dafür, dass ich das Fahrzeug am Ende in einem Stück wieder in die Boxengasse gebracht habe.

Formel-4-Rennwagen

Geschwindigkeit: 260 km/h
Leistung:160 PS
Drehmoment: 250 nm
0–100 km/h: 2,8 sekunden
Hubraum: 1400 ccm
Gewicht: 455 kg
Wert (gebraucht): ca. 50.000 Euro