In Stuttgart aufgewachsen, entwickelt sich Fredi Bobic beim dort ansässigen VfB schnell zum Top-Stürmer. Die Krönung seiner Spielerkarriere: 1996 gewinnt der damals 25-Jährige mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft den EM-Titel. Nach seiner aktiven Zeit als Spieler wechselt der gelernte Einzelhandelskaufmann in den Managementbereich. Und feiert besonders in Frankfurt große Erfolge. Seit 2003 ist allerdings die deutsche Bundeshauptstadt Bobics privater Rückzugsort. Bis zu seiner Entlassung im Januar 2023 ist der heute 52-Jährige bei der Berliner Hertha als Sportvorstand tätig. Wir treffen einen ausgeruhten Fredi Bobic zum Playboy-Gespräch in einem Berliner Restaurant. Es gibt Lasagne und Mineralwasser.
Herr Bobic, in Kürze beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Sie gehören der letzten DFB-Elf an, die den EM-Titel gewinnen konnte. Spüren Sie schon ein Kribbeln?
Natürlich. Es ist eine besondere EM, denn sie findet in Deutschland statt. Ich freue mich auf die unterschiedlichen Nationen. Und ich hoffe, dass wir Deutschen auch begeistert sind von dem, was hier passiert. Ein bisschen so, wie es 2006 war.
Sind Sie ein wenig neidisch auf das Team? Sie selbst hatten nie die Chance, ein Turnier im eigenen Land zu spielen.
Nein, das nicht. Es ist ja doch ein sehr seltener Zufall, dass ein großes Turnier gerade in den Jahren im eigenen Land stattfindet, in denen du als Profi-Sportler aktiv bist. Ich freue mich einfach, als Fan dabei zu sein.
Sie sind 1996 als amtierender Bundesliga-Torschützenkönig zur EM nach England gereist. Dennoch verbindet man heute mit dem Europameistertitel vor allem den Torschützen des Golden Goals, Oliver Bierhoff. Sie hatten sich im Viertelfinale verletzt. Wie stark schmerzt es Sie heute noch, dass Sie im Finale nicht dabei sein konnten?
Ich hätte sehr gerne das Finale gespielt, das ist klar. Ich habe in dem Turnier jedes Spiel von Anfang an gespielt, bis ich mich dann verletzt habe. Ich habe das dann aber gar nicht so als Schmerz empfunden, denn von 23 Spielern in unserem Kader haben am Ende 21 gespielt. Wir waren eine unheimlich verschworene Einheit, und jeder hat seinen Blutzoll für den Titel gegeben. Und dass Oli, der bis zum Finale eigentlich keine große Rolle spielte, dann aber ausgerechnet dieses Golden Goal gemacht hat, passt zu dieser Mannschaft.
Fredi Bobic im Playboy-Interview: „Nicht die besten elf gewinnen, sondern der beste Kader“
Deutschland ist damals auch nicht als Top-Favorit ins Turnier gegangen. Warum wurdet ihr 1996 dennoch Europameister?
Wir haben damals wirklich immer nur von Spiel zu Spiel gedacht, was ja oft als Floskel abgetan wird. Und: Wir wollten diese Spiele mit aller Macht gewinnen. Wir wussten, dass Gegner wie England oder Kroatien fußballerisch vielleicht sogar besser waren. Aber wir hatten das größere Herz und waren wohl einfach willensstärker. Ich habe immer gesagt, nicht die besten elf gewinnen, sondern der beste Kader gewinnt. Das Team, das am meisten zusammenhält.
Aufgrund der vielen Verletzten im Kader kündigte der damalige Bundestrainer Berti Vogts an, die beiden Ersatztorhüter Oliver Kahn und Oliver Reck notfalls als Feldspieler einzusetzen. Wie stark sind Sie damals erschrocken, als Sie von dem Plan gehört haben?
(Lacht) Wenn Olli Kahn reingekommen wäre, hätte es vermutlich geheißen: „Jetzt alle nach vorne – und nur noch lange Bälle, und Olli beißt einen weg.“ Ich glaube tatsächlich, Berti hätte das gemacht, wenn es notwendig gewesen wäre.
Warum hat es seit 28 Jahren keine deutsche Nationalmannschaft mehr geschafft, den EM-Titel zu gewinnen?
Die Europameisterschaft zu gewinnen ist möglicherweise schwieriger als die WM. Hört sich blöd an. Aber eine WM ist meist auch nur eine EM plus Brasilien und Argentinien. Um dieses Turnier zu gewinnen, musst du auf den Punkt top da sein! Es muss einfach alles perfekt funktionieren bei so einem Turnier. Wenn es dann läuft, kommst du in einen Flow.
Spürt das eine Mannschaft schon während des Turniers, dass sie im Flow ist?
Das merkst du gleich. Wir hatten so ein Gefühl: Uns kann eigentlich keiner schlagen. Aber wir tun uns andererseits auch schwer zu gewinnen (lacht).
Warum ist aus Ihrer Sicht Julian Nagelsmann der richtige Bundestrainer?
Ich könnte spaßeshalber sagen, weil wir keinen anderen gefunden haben. Nein, er besitzt tatsächlich Qualitäten, die gerade diese Generation ansprechen können.
Welche Qualitäten?
Er hat gute Schritte gemacht. Auch er hat lernen müssen, dass er die Nationalmannschaft anders anpacken muss, als er das möglicherweise am Anfang geplant hatte. Die entscheidende Frage wird aber sein, wie er in schwierigen Augenblicken agieren wird. Inzwischen wirkt er auch nicht mehr beleidigt, wenn die Mannschaft verliert …
Nimmt Nagelsmann Niederlagen denn persönlich?
Ja, er nimmt das extrem persönlich. Er muss da sicher noch souveräner werden.
Fredi Bobic im Playboy-Interview: „Das Achtelfinale muss drin sein“
Ist das Turnier nur ein Erfolg, wenn Deutschland den Titel gewinnt?
Nein. 2006 hat uns gelehrt, wenn die Fans das Gefühl haben, dass die Mannschaft alles gegeben hat, dann muss es auch nicht der Titel sein.
Aber ein Ausscheiden in der Vorrunde …
… wäre natürlich ein Desaster! Also das Achtelfinale muss drin sein. Aber in der Vorrunde kann man ja kaum ausscheiden, da von 24 Mannschaften nur acht nach der Vorrunde nach Hause fahren. Da musst du dich als große Nation schon dämlich anstellen, wenn du da rausfliegst.
Wo sehen Sie die größten Stärken beim deutschen Team?
Noch vor einigen Monaten hätte ich es nicht sagen können. Die Stärke war wohl die Unberechenbarkeit im Machen von Fehlern. Die aktuelle Stärke ist ganz klar die Vielseitigkeit in der Offensive.
Was ist die größte Herausforderung, wenn man wochenlang mit den gleichen Menschen eingesperrt ist?
Die größte Herausforderung ist, dass man sich nicht langweilt. Ich war damals Teil einer Kartenrunde. Wir sind aber auch mal raus, nachts abgehauen und ab in den nächstgelegenen Pub. Berti wusste das auch …
Also hattet ihr Komplizen?
Ja, brauchten wir auch. Es war einfach ein bisschen so, als wenn wir aus dem Schullandheim abgehauen wären. Das haben wir einfach gebraucht. Du musstest mal raus, andere Menschen sehen. Und das Gute war ja: Es gab damals keine Smartphones. So mussten wir nicht befürchten, dass unser Gesicht am nächsten Tag in der Zeitung ist. Ich glaube, das hat unsere Gemeinschaft auch noch mal richtig nach vorne gebracht.
Mit der heutigen Öffentlichkeit wäre das kaum möglich.
Deswegen beneide ich die heutige Spielergeneration gar nicht. Egal, wo sie sind, überall sind diese Smartphones. Überall wird was aufgenommen und taugt anschließend zum Skandal. Dabei sind das auch einfach nur Jungs, die auch mal ein bisschen Spaß haben wollen. Ich glaube, die Jungs heute würden auf viel Geld verzichten, wenn sie diese Freiheit haben könnten, die wir hatten.
Wie ist eigentlich heute Ihr Verhältnis zu den damaligen Mitspielern?
Sehr gut. Ich habe gestern erst mit Jürgen Kohler telefoniert. Wir, die 96er-Mannschaft, treffen uns jetzt auch wieder vor der EM. Berti und Jürgen (Klinsmann, die Redaktion) haben eingeladen.
Wie muss man sich ein Wiedersehen vorstellen? Geht ihr dann alle Spiele noch mal durch?
Über damals wird eher weniger gesprochen. Man schätzt sich. Man hat schließlich was Großes gemeinsam erlebt. Und das wird uns immer miteinander verbinden. Das Einzige, was sich bei den Treffen ändert, sind bei vielen die Ehepartnerinnen (lacht).
Reden wir über Musik: „Football’s Coming Home“…
Ja, geiles Ding.
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Das war der offizielle EM-Song 1996. Er verband mit seinem Text die Sehnsucht der Briten, nach 30 Jahren endlich wieder einen Titel nach England, ins Mutterland des Fußballs, zu holen. Welches ist Ihr Lieblingsfußballschlager und sollte auf keiner Playlist fehlen?
Dieses Lied ist natürlich ganz, ganz weit oben. Für uns lief der Song zum ersten Mal im Halbfinale gegen die Engländer. Das ganze Wembley-Stadion hat damals „Football’s Coming Home“ gesungen. Und ich habe am nächsten Tag dann der ganzen Mannschaft Maxi-CDs gekauft. Im Virgin Megastore am Piccadilly Circus. Ich bin da mit Dieter Eilts rein und hab dann jedem der Jungs eine CD geschenkt.
Sie waren ja nicht nur Teil des sogenannten Magischen Dreiecks mit Ihren Stuttgarter Mitspielern Krassimir Balakow und Giovane Elber, sondern wurden 1996 auch Mitglied beim Tragischen Dreieck. Was hatte es mit diesem Musik-Trio auf sich?
Entstanden ist die Idee zu dem Projekt bei einem Konzert von Pur. Wir hatten ein enges Verhältnis zu Hartmut Engler, aber auch zu den anderen in der Band, die alle große VfB-Fans waren. Nach dem Konzert, als wir alle schon das eine oder andere Kaltgetränk zu uns genommen hatten, hieß es plötzlich, ihr müsstet doch mal einen Song zusammen machen. Und dann war uns klar, wir machen das. Eine echte Schnapsidee eben.
Aber warum wurde dann doch nichts aus der großen Musikerkarriere?
Wir wollten keine Promotour machen. Wir waren Fußballer. Wir haben zu dem Song aber übrigens auch ein Video gemacht. In einem Etablissement. In Bietigheim. War auch ganz lustig … (lacht)
Während des Geschäftsbetriebs?
Nein, nein. Das war frühmorgens. Der Song hat sich übrigens gar nicht so schlecht verkauft damals. Wir sind damit auch mal in Harald Schmidts Late-Night-Show aufgetreten. Ich werde auch heute noch oft darauf angesprochen. Was nur die wenigsten wissen: Damit es sich halbwegs gut anhörte, hat Hartmut Engler damals selbst mitgesungen beim Refrain.
Sprechen wir nicht über Ihre verhinderte Gesangskarriere, sondern über Ihre deutlich erfolgreichere Managerkarriere. Wir haben uns ja letztmals vor fünf Jahren zum Interview getroffen. Damals war Angela Merkel noch Kanzlerin und Sie als Sportvorstand bei der Eintracht tätig. Und das mit beachtlichem Erfolg: DFB-Pokalsieger 2018, Europa-League-Halbfinalist 2019. Sie wurden „Kicker“-Mann des Jahres 2018 und zweimal vom Magazin „11Freunde“ zum „Manager des Jahres“ gekürt. War das in Frankfurt Ihre bisher schönste Zeit nach Ihrer Spielerkarriere?
Das war auf jeden Fall eine Zeit, in der vieles funktioniert hat. Und ich das machen konnte, was ich mir ja erträumt hatte. Einen Verein, ein Team aufzubauen und nachhaltig zu übergeben.
Ist das Gefühl, als Manager erfolgreich zu sein, vergleichbar mit Titeln, die man als Spieler gewinnt?
Als Spieler fliegt die Karriere so ein bisschen an einem vorbei. Im Managementbereich aber, wenn du für einen Club arbeitest, zusammen mit den vielen Mitarbeitern, ist das ein viel intensiveres Gefühl. Es ist ein Gefühl des Stolzes, etwas gemeinsam geschafft zu haben. Und das ist das, was mich auch immer wieder antreibt.
Welcher Bobic ist denn der bessere, der Spieler oder der Manager?
Gute Frage. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich ein Leben lang Spieler sein wollen. Es ist die ungezwungenste Art zu leben. Ich fühle mich in der Rolle als Manager in einem Fußballclub aber sehr wohl. Es ist so vielfältig und gibt mir so viel mehr im Leben als das reine Fußballspielen.
Was hätte der Manager Bobic am Spieler Bobic geschätzt?
Siegeswille, Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit. Aber ich hätte ihm öfters den Kopf waschen müssen, wenn er mal übers Ziel hinausgeschossen ist (lacht). Ich habe es gehasst zu verlieren. Das ist heute noch so. Meine letzte Station bei Hertha BSC Berlin sehe ich als Niederlage an. Aber ich weiß, beim nächsten Mal werde ich wieder gewinnen. Ich habe so viel Power in mir.
Fredi Bobic im Playboy-Interview: „Im Fußball gehören Emotionen dazu. Davon lebt er doch“
Im letzten Playboy-Interview hatten Sie gesagt, Erfahrung sei alles. Warum war Ihr jüngstes Engagement bei Hertha trotz Ihrer langjährigen Erfahrung nicht von Erfolg gekrönt?
Weil ich den Verein falsch eingeschätzt habe.
Hatten Sie die Aufgabe unterschätzt?
Genau. Weil ich vielleicht nicht richtig zuhören wollte, weil Berlin mich natürlich gezogen hat, schließlich lebe ich seit 2003 in dieser Stadt. Aber die Entscheidung, hier anzufangen, war im Nachhinein natürlich ein Fehler. Ich hatte mir aus den Erfahrungen in Stuttgart geschworen, nie wieder da zu arbeiten, wo ich mal gespielt habe.
Von Ihrem Engagement als Sport-Geschäftsführer bei der Hertha bleibt natürlich neben dem juristischen Nachspiel vor allem Ihr Scharmützel mit einem RBB-Reporter in Erinnerung. Auf eine Interviewfrage hatten Sie mit folgenden Worten reagiert: „Wenn du noch mal frägst, kriegst du eine gescheuert.“ Kurz darauf wurden Sie vom Verein gefeuert. Was haben Sie aus dem Vorfall gelernt?
Egal, wie schwer es fällt und wie oft ich die gleiche Frage bekomme: trotzdem das Emotionale zurückzuhalten.
Was hatte Sie damals so wütend gemacht?
Mir ist viermal die gleiche Frage gestellt worden. Ich habe sie jedes Mal beantwortet. Und der Spruch war übrigens nach dem Interview. Im Weggehen habe ich gesagt: „Wenn du es nochmals so gefragt hättest, dann hätte ich dir eine gescheuert.“ Das ist ein schwäbischer Spruch. Ich habe mich aber später dafür entschuldigt. Und der Journalist hat die Entschuldigung sofort angenommen.
Ganz ehrlich: Wie oft sind Sie für den Spruch gefeiert worden?
Einige meiner Kollegen fanden ihn ganz gut. Im Fußball gehören Emotionen dazu. Davon lebt der Fußball doch. Und dass man mal übers Ziel hinausschießt, das passiert eben. Fragen Sie mal Rudi Völler (lacht). Wir sind alles normale Typen. Und dass uns auch mal der Gaul durchgeht, ich glaube, das will der Fan sogar. Du kannst dir ja auch nicht alles gefallen lassen.
Der Fußball ist längst ein Milliarden-Business. Der Druck von Medien und Öffentlichkeit auf die Protagonisten nimmt stetig zu.
Extrem, ja.
Besonders die Trainer stehen unter großem Erfolgsdruck. Zuletzt hatte Liverpool-Coach Jürgen Klopp bekannt gegeben, dass er nicht mehr kann. Ralf Rangnick war vor gut zehn Jahren der erste prominente Fußballlehrer, der sich offiziell zu einem Burn-out bekannt hat und sich vorübergehend aus dem Fußballzirkus zurückzog. Wie sind Sie selbst mit dem ständigen Druck umgegangen?
Als Spieler habe ich das gut überspielen können. So, wie viele den Druck überspielen, auch heutzutage machen das viele Spieler. Als jungem Kerl wurde mir beigebracht, keine Schwächen zu zeigen. Denn wenn du die zeigst, dann hast du schon verloren.
Wird es in Zukunft noch häufiger Burn-out-Outings im Fußball-Business geben?
Es werden mehr, ja. Aber die heutige Generation geht anders mit dem Thema um. Wir gehen schon in der Jugend damit anders um. Wir haben in jeder Akademie, bei jedem Bundesliga-Verein Psychologen. Und ja, die Sprechstunden und Kurse sind gut gefüllt. Übrigens auch mit Nationalspielern.
Sind die jungen Spieler heute einem größeren Druck ausgesetzt?
Absolut. Oft spielen sie ja nicht nur für sich selbst. Sie spielen für die ganze Familie. Und dann noch dieses gegenseitige Hochpushen auf Social Media, wer dort der Beste ist, wer die größte Reichweite hat.
Mit welchen Problemen sind junge Spieler zu Ihnen gekommen?
Da ging es auch um private Tragödien. Es ging um Scheidungen, Seitensprünge, aber auch darum, dass die eigenen Eltern zu viel Druck auf die Spieler ausüben.
Sie sind mit Ihrem Ausscheiden bei der Hertha seit eineinhalb Jahren ohne Job. Wie geht man damit um, wenn man gerade noch über Transfers im zweistelligen Millionenbereich verhandelt hat und im nächsten Moment nur noch den Wocheneinkauf im nahegelegenen Supermarkt planen muss?
Den macht Gott sei Dank immer noch meine Frau (lacht). Also fragen Sie mich bitte nicht, was eine Butter kostet. Nein, ich erhole mich richtig gut, entschleunige. Ich bin viel bei Spielen unterwegs, treffe viele Leute. Und mache selbst wieder intensiv Sport.
Aber wie geht Ihre Familie damit um, dass Sie ständig zu Hause sind?
Meine Frau hat sich am Anfang genauso schwergetan wie ich. Mittlerweile lieben wir es und genießen das Zusammensein, weil wir wissen, dass es morgen wieder vorbei sein kann.
Dennoch: Wie groß ist Ihre Befürchtung, kein attraktives Angebot mehr zu bekommen?
Das kann natürlich passieren. Da muss man ganz ehrlich sein. Aber mir geht es gar nicht nur um das attraktivste Angebot. Mir geht es darum, mit welchen Menschen arbeite ich zusammen? Das ist auch das Learning aus der Berliner Geschichte. Vorher noch klarer alle Themen offen anzusprechen. Und zwar bevor man eine Zusage gibt. Deswegen kann es auch ein kleiner Verein im Ausland sein. Das macht mir gar nichts. Ich habe die Freiheit dafür.
Fredi Bobic im Playboy-Interview: „Als jungem Kerl wurde mir beigebracht, keine Schwächen zu zeigen“
Sie hatten Ihre glorreichsten Zeiten als Spieler beim VfB und Ihre erfolgreichsten als Manager bei Eintracht Frankfurt. Wenn Ihnen jetzt beide einen Job anbieten würden, bei welchem der beiden Clubs würden Sie, ohne zu zögern, zusagen?
Ich würde bei beiden absagen. Ich habe bei beiden Vereinen interessante Zeiten erlebt. Ich habe viele Freunde in den Vereinen und habe sie auch immer wieder besucht in den letzten eineinhalb Jahren. Und es war angenehm, mit ihnen über ganz normale Dinge zu sprechen und nicht nur über Fußball.
Sie wollen also keine dieser Liebesbeziehungen aufwärmen?
Nein, mich reizt viel mehr das Neue.
Sie hatten den DFB bei der Besetzung des Geschäftsführerpostens mit Andreas Rettig öffentlich scharf kritisiert …
Ja.
Hatten Sie sich selbst Chancen auf den Posten ausgerechnet?
Da ging es gar nicht um mich. Ich finde einfach, dass er der Falsche für den Posten ist.
Was stört Sie an Herrn Rettig?
Ich habe Probleme mit Menschen, die heute auf der einen Seite, morgen auf der anderen Seite arbeiten und immer wieder schlecht über die jeweils andere Seite reden. Es gäbe viele gute Kandidaten. Ich bin auch nicht der richtige Mann für den DFB, um das mal klar zu sagen. Wenn der DFB seine Strukturen nicht massiv verändert, sehe ich große Probleme auf den Verband zukommen.
Wie sehen Sie die internationale Entwicklung des Fußballs? Erst die umstrittene Wüsten-WM in Katar, 2036 will die FIFA die Weltmeisterschaft nun in Saudi-Arabien austragen lassen. Ist das Verrat am Fußball?
Der deutsche Blick darauf ist natürlich, hier wird der Fußball verraten. Ich habe das WM-Finale in den USA gesehen. Keiner hat sich darüber echauffiert, dass das Turnier in Katar stattfindet.
Und wie stehen Sie persönlich dazu?
Dass ich mit den Vergaben der Turniere nicht so richtig mitgehen kann, will ich gar nicht bestreiten. Aber wenn eine Entscheidung getroffen wurde, dürfen wir eines nicht machen, und das ist, die Sportler als Geisel zu missbrauchen. Die Spieler müssen einfach ihren Sport machen dürfen.
Sehen Sie eine Fußball-WM, die in einem antidemokratischen Staat wie Saudi-Arabien stattfindet, nicht als problematisch an?
Es gab Olympische Spiele in Peking, eine Fußball-WM in Russland, sogar schon eine gesamtkoreanische Olympia-Mannschaft. Spätestens in zehn Jahren werden sich alle an Saudi-Arabien als Austragungsort gewöhnt haben. Vermutlich bekommen die ja auch noch die Olympischen Winterspiele, auch wenn das sicher nicht förderlich für das Klima ist. Aber ich will nicht, dass der Sport von Moralisten missbraucht wird. Sport baut Brücken. Zwischen den Nationen, zwischen den Kulturen – und das vielleicht sogar mehr als alles andere.
Als Kind eines slowenischen Vaters und einer kroatischen Mutter wächst Fredi Bobic in Stuttgart-Bad Cannstatt auf. Vor 30 Jahren (1994) debütiert der heute 52-Jährige beim VfB Stuttgart in der ersten Fußball-Bundesliga. Zwei Jahre später reist er als amtierender Bundesliga-Torschützenkönig zur EM nach England. Bobic macht 37 Spiele für die DFB-Elf und erzielt dabei zehn Tore. Nach seinem Karriereende als Spieler kehrt er als Funktionär zum VfB Stuttgart zurück. Anschließende Manager-Stationen sind Eintracht Frankfurt und Hertha BSC Berlin. Bobic ist Vater von zwei erwachsenen Töchtern und lebt mit seiner Frau in Berlin-Zehlendorf.
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