Public Viewing: Ist das spaßig oder nervig?

Euro 2024: Manche verfolgen die Fußball-EM 2024 am liebsten beim Public Viewing – andere meiden die Events
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Bei der WM 2006 in Deutschland wurde Fußball als Massenphänomen neu erfunden – doch nicht jeder lässt sich von der Begeisterung anstecken. Unsere Redakteure gucken die Fußball-EM 2024 jeweils woanders. 

Playboy-Reporter Alexander Neumann-Delbarre findet: „Fußball gemeinsam mit anderen auf der Straße bei einer Heim-EM zu schauen ist (fast) einmalig“

Als das letzte große Fußballturnier in Deutschland stattfand, lebte ich in England. Sommermärchen-Stimmung? Not quite. Das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica schaute ich allein im Pub. Das Achtelfinale gegen Schweden immerhin mit ein paar Londoner Freunden, es gab Pimm’s mit Ginger Ale und Salt & Vinegar Chips. Während des dramatischen Viertelfinales gegen Argentinien stand ich in Kensington in einem monströsen Freitagnachmittag-Stau. Das Autoradio war kaputt. Ich musste mich bei meinen Staunachbarn alle zwei Minuten nach dem Spielstand erkundigen. Als ich endlich vor einem Fernseher ankam, sah ich gerade noch das Elfmeterschießen. Immerhin. 

Ich bin kein großer Fan von Massen-Events, aber eines weiß ich: Bei der kommenden EM werde ich jede Gelegenheit nutzen, Spiele gemeinsam mit Hunderten oder Tausenden anderer Menschen zu erleben. Fußball im Fernsehen anzuschauen ist toll – perfekter Blick aufs Spiel, unterhaltsame Freunde auf der Couch, reichlich Getränke im Kühlschrank. Aber Fußball gemeinsam mit anderen auf der Straße bei einer Heim-EM zu schauen ist (fast) einmalig. 

Die besten Spieler der Welt sehen, sich rein auf das Sportliche fokussieren, das Ganze einfach passiv genießen, das ist alle zwei Jahre möglich. Aber die Stimmung in den Straßen, in den Cafés, auf den Public-Viewing-Plätzen mitzuerleben, sie mitzugestalten, ein paar Schotten ein Bier auszugeben, mit ein paar Italienern ein Lied zu singen, das geht eben nur selten. Und ich werde es diesmal nicht verpassen. Vielleicht kommen ja ein paar Freunde aus England zu Besuch, dann können wir meinetwegen auch wieder Pimm’s trinken, das Zeug macht sehr gesellig. 

Playboy-Redakteur David Goller findet: „Nicht nur die Event-Heinis nerven, auch alles andere“

Juni 2006: Mit meinen besten Freunden sitze ich vor einem Strandbistro in Riccione. Gebannt starren wir auf einen winzigen Röhrenfernseher. Es läuft das Eröffnungsspiel der WM, wir sind 16 Jahre alt und erleben gerade den schönsten Sommer unserer jungen Leben. Den Begriff Public Viewing, mit dem Amis die offene Aufbahrung eines Toten bezeichnen, kennt noch keine Sau. Es ist die Stunde null des Sommermärchens, das in der sechsten Minute mit einem Schlenzer von Philipp Lahm in den Winkel der Costa-Ricaner beginnt.

Ein Ruck geht durch Deutschland – und selbst die letzte Absteige organisiert irgendwo einen Beamer, um dabei zu sein. Doch mit der Schlandisierung der Nation beginnen die Probleme. Menschen, die bis eben weder Abseitsregel noch Viererkette kannten, erklären plötzlich lauthals und in schwarz-rot-geiler Überzeugung, wie „unsere Jungs“ im nächsten Spiel auflaufen sollten. So geht das bis heute alle zwei Jahre, und mittlerweile meide ich Public Viewings wie Cristiano Ronaldo das Zuckerwasser.

Nicht nur die Event-Heinis nerven, auch alles andere: das Bild zu hell, die Sonne zu heiß, die Toilette überfüllt, der Bierverkäufer überfordert. Den Rest gegeben hat mir das EM-Finale 2008, das ich mit Tausenden vor dem Wiener Rathaus verfolgte. 0 : 1, das Spiel verloren – und um uns ein Meer aus Österreichern in Spanien-Trikots, die sich über uns trauernde Piefkes lustig machen. Das wäre uns zu Hause nicht passiert! Fußball will ich einfach nicht mit jedem schauen. Stadionbesuche ausgenommen, verfolge ich Spiele am liebsten vor meinem Fernseher in meinem Wohnzimmer. Dort, wo mir die Menschen noch näher sind als der gut gefüllte Kühlschrank. Und jetzt Ruhe, gleich ist Anpfiff!

Fußballgucken in großen Gruppen: spaßig oder nervig? Schreiben Sie uns Ihre Meinung: leserservice@playboy.de 


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