Inhalt
First Lady: Happy Birthday, Adriana Lima!
Ein guter Monat für: Tarantino- und Abenteuer-Fans
10 Fragen an . . . Frederick Lau
Reise: Beach-Paradiese vor unserer Haustür
Motor: Testfahrt im ersten Vollelektro-Volvo
Männergarderobe: Bunte Shorts für den Strand
Männerküche: Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann im Interview über schwere Jahre, edle Gäste und die späte Aktualität der Nouvelle Cuisine
Wein des Monats: Riesling – der deutsche Paradewein
Wiesn-Playmate gesucht: Wir feiern trotz Oktoberfest-Absage – bewirb dich, und werde unsere Miss Oktober
Helden in der Krise: Das Ehepaar Muk und Karin Röhrl hat in der Oberpfalz das älteste Wirtshaus der Welt gerettet – mit Mut, der vielen Mut macht
Billy F Gibbons: Die bärtige ZZ-Top-Legende ist in die Wüste gegangen und hat zwischen Klapperschlangen und brennenden Grills neue Songs kreiert
Auf geht’s: Elf Dinge, die uns in EM-Stimmung bringen
Serge Gnabry: Nur wenige Spieler repräsentieren den Geist und das Potenzial der neuen Nationalelf-Generation so gut wie der stille, selbstbewusste Bayern-Stürmer
Goldene Zeiten: Vor 25 Jahren holte Deutschland den Titel. Eine Zeitreise zu den größten EM-Momenten
José Mourinho: Der Star-Trainer zählt uns im Interview zu den Favoriten und wäre gern selbst Nationalcoach
Auf großer Strom-Fahrt: Wie geht Gran Tourismo in elektrisch? Wir testeten die Grenzen des neuen Audi RS e-tron GT bei einem Ausflug an die Ostsee
Mein Schlitten: Christian Sellner und sein VW Käfer
Playmate: Melanie De Toni kam als Touristin nach Berlin – und verließ die Stadt als Miss Juli
Unsere Playmate des Jahres, Julia Römmelt, bedankt sich bei den Wählern doppelt: mit Fotos aus dem Casino und vom Mallorca-Strand
Operation „Gut aussehen“: Von historischen Beauty-Docs bis zu den neuesten Corona-Trends
Hauptsache Kontur: Schönheitschirurg Thilo Schenck über die häufigsten Eingriffe beim Mann
Umfrage des Monats: Wie stehen wir Männer zu Kosmetik und OPs, und wie mögen uns die Frauen?
Selbstversuch: Unser Autor lässt Experten mit Kälte und Strom an seinen Speck ran
Do it yourself: So pflegt man sich am besten
Schopf hoch: Expertenratschläge gegen Haarverlust
Pro & Contra: Männer unterm Messer – echt jetzt?
Streitschrift: Fast Food macht fett? Unsinn!
Falten: Bitte nicht glätten, sagt unsere Autorin
Leichtfuß: Die coolsten Schuhe für heiße Tage
Mister Sextoy: Ein Gespräch mit dem Erfinder Michael Lenke, der weltweit Frauen glücklich macht
Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky richtet uns ein Liebesnest ein
True-Crime-Boom: Die Kriminalpsychologin Lydia Benecke über die Faszination des Bösen
Literatur, Musik & Film: Das Beste des Monats
- Editorial
- Making-of
- Leserbriefe
- Witze
- Cartoon
- Berater
- Impressum
- Bezugsquellen
- Playboy Classic
Ganze 15 Jahre lang hielt Eckart Witzigmann drei Sterne und wurde vom Gault & Millau zum Jahrhundertkoch ernannt – so wie Paul Bocuse, Joël Robuchon und Frédy Girardet. Allerdings als einziger deutschsprachiger Koch. Seine Schüler machten das TV-Kochen populär und prägen die Spitzengastronomie. Ein gigantisches Lebenswerk, das unter keinem guten Stern begann ...
Playboy: Herr Witzigmann, Ihre Karriere als Koch hätte beinahe am ersten Tag als Lehrling geendet, richtig?
Eckart Witzigmann: Ja, das war ein großer Irrtum: Ich sollte eine doppelt geklärte Rinderkraftbrühe abpassieren. Allerdings habe ich das Klärfleisch aufgehoben und die eigentlich benötigte Suppe weggeschüttet. Das war knapp vorm Rauswurf. Ein schlechter Einstieg, aber ich habe es ja doch noch geschafft.
Wie haben Sie später als Chef auf Fehler reagiert?
Das kommt letztlich immer auf die Situation und die Tagesform an. Man kann den Kopf schütteln und sich umdrehen, oder man gibt dann doch einen Kommentar ab. Die Lautstärke richtet sich dann nach der Heftigkeit des Fehlers.
Auch die Gesellenprüfung haben Sie im ersten Anlauf versemmelt.
Liebe geht eben nicht nur durch den Magen, sondern auch durch den Kopf. Schuld war meine Jugendliebe Ida, aber die ist leider auch durchgefallen. Die kleinen Übel straft der Herr eben sofort. Aber wenn ich mir die Anmerkung erlauben darf: Ich fand die dama-lige Lehrmeinung absolut antiquiert. Heute ist meine damalige Meinung die Norm.
Warum wollten Sie Koch werden?
Mein Vater war Schneidermeister in Bad Gastein, und ich musste immer seine Ski-Keilhosen und Anzüge in die Hotels bringen, das waren die Hochburgen der gehobenen Gastronomie, da konnte ich schon etwas reinschnuppern. Auch zu den Kundenessen meines Vaters musste ich immer mitgehen, dabei hätte ich damals lieber Cowboy oder Fußball gespielt, aber da habe ich gelernt, Forellen und andere tolle Speisen zu essen. Meinem Vater war das sehr wichtig, obwohl die finanziellen Mittel nicht in den Himmel gewachsen sind. Er war ein kritischer Feinschmecker und konnte damals schon sehr gut differenzieren.
Trotzdem waren Ihre Eltern nicht glücklich über Ihre Berufswahl.
Ganz und gar nicht, die waren richtig erschrocken. Aber immerhin hat sich mein Vater dann doch überwunden und mir den Lehrplatz im „Straubinger“ verschafft, einem der besten Häuser der Stadt. Da hatte ich großes Glück, denn heute weiß ich, dass die Ausbildungsjahre ganz entscheidend sind für das Weiterkommen in der Gastronomie.
Als Sie später als bester Koch Deutschlands galten, zählten ausgerechnet Ihre Eltern nicht zu den begeisterten Gästen.
Vor allem meine Mutti war sehr konservativ. In ihrem Essverhalten. Mit allem, was ein bisschen anders oder noch rosa war, hatte sie ihre Schwierigkeiten. In meiner Kindheit gab’s am Wochenende ganz klassisch Fleisch und unter der Woche einfache Dinge, zum Beispiel Spinat mit Spiegelei. Davon habe ich mich später für meine Kreation „Weißer Trüffel mit Spinat und Spiegelei“ inspirieren lassen.
Sie haben als Chefkoch des damals neuen „Tantris“ 1971 die Nouvelle Cuisine mit ihren hochwertigen, frischen und saisonalen Nahrungsprodukten nach Deutschland geholt. Empfinden Sie sich selbst als Pionier?
Damals habe ich das nicht so empfunden, beim Blick zurück sehr wohl. Ich hatte aber einen irrsinnigen Vorsprung, weil ich bereits 1965 in Frankreich war und da die ganze Entwicklung mitbekommen hatte. Nach meiner Lehre bin ich über 13 Jahre durch die ganze Welt gereist. Ich habe unzählige Briefe an die großen Köche geschrieben, um bei ihnen zu lernen. Den Paul Haeberlin im Elsass habe ich richtiggehend torpediert. Er und Paul Bocuse wurden dann zu meinen Mentoren, die mich weltweit überall platziert haben, in Schweden, London, Belgien und in den USA.
War das eine schöne Zeit?
Es war kein Honiglecken. Ich war jahrelang immer mit zwei Koffern unterwegs und hab nicht viel verdient. Aber das nimmt man alles in Kauf, wenn man etwas unbedingt lernen will.
Und Sie mussten immer wieder Freundinnen zurücklassen.
Ja, das hat sich halt manchmal so ergeben, ich war ja nicht als Bettelmönch unterwegs. Ich bin in der Zeit schon auch in die Diskothek gegangen, war leidenschaftlicher Skifahrer, habe viel Tennis und Fußball gespielt, bin Radrennen gefahren, dazu Langlauf und viel Joggen. Das war mein Ausgleich. Ich war sehr gut in Form, hatte immer zwischen 60 und 70 Kilo.
Sie gelten als Perfektionist, woher kommt Ihr Fleiß?
Das Kochen war und bleibt meine Erfüllung. Ich hatte eine große Neugierde und eine ausgeprägte Ungeduld, mehr zu lernen und mehr zu sehen. Diese Leidenschaft wurde immer stärker, je länger ich gereist bin.
Braucht man zum Kochen in der Spitzengastronomie Talent?
Es schadet sicher nicht und muss nur laufend gefördert werden. Wichtiger ist die Leidenschaft dafür, es immer wieder zu versuchen und besser zu machen. Ich musste auch viel lernen: Wenn man Fisch ausgelöst und zu viel Fleisch an der Gräte gelassen hat, dann war ein Verweis fällig. Man wird erst durch die Übung zum Meister.
Wie schult man den Geschmacksinn?
Indem man genießt, immer und immer wieder. Das Essen muss man am Gaumen spielen lassen und nicht alles eilig hineinstopfen. Eben ein bisschen Zeit lassen. Wer das beim Essen nicht kann, macht was falsch und wird nie das wahre Genuss-Level erreichen. Heute gibt es ja fast alles auch als „To Go“. Oft hat man noch links ein Handy und rechts die Tüte in der Hand und während man sich bewegt versucht man zu essen. Wo bleibt da denn die Essenskultur?
Sie essen nie unterwegs einen Döner oder einen Burger?
Da bin ich schon sehr dizipliniert. Ich habe in meinem Leben nur zweimal einen Burger gegessen. Das erste und das letzte mal im Disneyland in Los Angeles. Das hat alles seine Berechtigung, und die Logistik ist toll. Aber lieber mach ich mir den Burger selber, dann weiß ich auch, was drin ist. Das soll aber keine Kritik sein, jeder soll sich so ernähren, wie es ihm gut dünkt.
Der große Restaurantkritiker Wolfram Siebeck – mit dem Sie im Streit auch mal zwei Jahrzehnte lang kein Wort wechselten – hat die deutsche Küche in eine Zeit vor und nach Witzigmann eingeteilt. Wie sehr schmeichelt das?
Das ist ein schönes Lob. Ich hab 1971 vier französische Köche, ehemalige Kollegen bei Paul Hae-berlin, mitgenommen, die waren das Gerüst im „Tantris“. Dann haben wir neue Leute geschult und geformt. Das war ein enorm strapaziöser Werdegang, um die Leute handwerklich da hinzubekommen, wo man sie haben will. Pasteten zubereiten oder eine Wachtel auslösen waren damals noch nicht die großen Themen in Deutschland.
Auch die Architektur des „Tantris“, von der Besitzerfamilie Eichbauer beauftragt, war höchst innovativ.
Da mussten wir einiges aushalten. Wir waren eine Fresskirche, eine Feuerwehrstation, alles, nur kein Restaurant. Die Küche wurde auch nicht von allen begeistert aufgenommen. Vielen war das Gemüse zu hart oder das Fleisch zu roh. Aber Missionare hatten es immer schon schwer am Anfang ...
Können Sie denn mit solcher Kritik umgehen?
Heute besser als damals. Das muss man lernen, wenn man in der Öffentlichkeit steht, ich verdanke der Kritik ja auch sehr viel. Man muss sich immer fragen: Hat er Recht, oder hat er nicht Recht? Mehr und mehr eskalieren solche Kritiken aber, in der digitalen Welt geht es heute ja noch viel extremer zu. Da glaubt jeder sehr schnell, wenn man einen Herd einschalten kann, ist man auch zu jederlei Kritik befähigt.
1973 haben Sie den ersten Michelin-Stern bekommen, was einen riesigen Hype auslöste, ein Jahr später kam der zweite Stern, und 1978 hörten Sie auf im „Tantris“.
Nach dem zweiten Stern hatte ich den tiefen Wunsch, etwas Kleineres zu machen, um die perfekte Maßarbeit am Gast zu leisten. So kam es zur „Aubergine“. Und gleich im ersten Jahr hatten wir aus dem Stand zwei Sterne, das ging mir dann fast wieder zu schnell. Während im „Tantris“ alles eingespielt und organisiert war, war ich plötzlich für alles zuständig, ob es sich um die Einstellung des Servicepersonals oder Klopapier und Spül- und Reinigungsmittel handelte. Nach zwei Wochen wäre ich am liebsten zurück ins „Tantris“, weil ich gemerkt habe, dass mir das über den Kopf wächst. Im Jahr drauf haben wir als erstes deutsches Restaurant den dritten Stern gekriegt. Das war, wie den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät zu besteigen, denn dort oben ist die Luft wirklich sehr dünn.
Den dritten Stern haben Sie 15 Jahre in Folge gehalten, später kam vom Gault & Millau die Auszeichnung „Koch des Jahrhunderts“ dazu, die nur vier Köche weltweit getragen haben. Wie haben Sie es geschafft, immer wieder aufs Neue kreativ zu sein?
Ich wollte nicht jeden Tag mit Gewalt eine neue Explosion auf den Teller zaubern. Die Kreativität ist eine große Gabe, die spontan da sein muss, wenn man einen schönen Steinpilz oder einen herrlichen Fisch in die Küche bekommt. Die Saison spielt dabei eine große Rolle, aber auch die Mannschaft, das Teamwork in der Küche und im Service. Die Rezepte kamen auch nicht immer alle von mir, ich hatte ja kreative Leute um mich herum, ob das jetzt Hans Haas, Karl Ederer, Alfons Schuhbeck, Bobby Breuer, Johann Lafer oder andere waren. Die hab ich immer gefordert und gefördert und zum Mitdenken animiert. Man muss die Leute für ihre Arbeit begeistern können.
Wie gelingt das?
Durch herausfordernde Arbeit, Abwechslung und Gemeinsamkeiten. Da waren arbeitsreiche Tage die Regel, aber wir sind auch Skifahren gegangen oder haben Fußball gespielt. Das formt und bindet. Ich habe heute noch wunderschöne Kontakte zu diesen Leuten, das ist eine große Familie.
Wie restriktiv waren Sie mit Ihren eigenen Rezepten?
Ich habe nie was von dieser Geheimniskrämerei gehalten. Mir war wichtig, Wissen weiterzugeben, die Leute mit neuen Ideen zu impfen. Die haben bei uns nicht viel verdient, aber ihre Station bei uns sollte für sie ein Meilenstein sein. Ich habe meine Rezepte denen weitergegeben, die es verdient haben. Aber nicht Hinz und Kunz, das ist ja klar.
Sie selbst haben dagegen von Lehrmeistern heimlich Rezepte abgeschrieben.
(lacht) Das war beim Paul Simon in Davos. Ich hatte mitbekommen, dass die Schublade mit dem Rezeptbuch nicht abgesperrt war. Mit einem Freund habe ich das in einer Nachtaktion kopiert. Alles war in Steno notiert, gewissermaßen als Geheimschrift. Aber ich hatte ja die Handelsschule besucht, das konnte ich entziffern. Ich hab es Paul Simon später gestanden, als er in Pension war. Da hat er dann sehr geschmunzelt, früher wäre er aber sicher böse gewesen. Die Milde des Alters also.
Viele Ihrer Schüler sind mittlerweile im Fernsehen unterwegs, schauen Sie sich das an?
Im deutschen Fernsehen ist es schwer, dem Kochen zu entgehen. Meine Bühne ist das nicht unbedingt, die Kamera und ich sind nie dicke Freunde geworden. Aber so eine Fernsehpräsenz ist unbezahlbar: Tim Mälzer und Steffen Henssler sind in der breiten Öffentlichkeit viel populärer als jeder 3-Sterne-Koch. Das Fernsehen hat dafür gesorgt, dass das Kochen ein zentrales Thema ist. Manchmal habe ich schon den Eindruck, Deutschland kocht über. Teilweise ist es strapaziös, da zuzuschauen, teilweise ist das gut gemacht.
In die „Aubergine“ kamen die Reichen, Wichtigen und Schönen. Die „New York Times“ hat Sie den „Koch der Könige und Götter“ genannt.
Das war eine große Ehre, da fühlt man sich geschmeichelt. Ich habe zwar für die Queen, für das schwedische Königspaar und für die Könige von Norwegen, Belgien und Marokko, für den G-7-Gipfel mit François Mitterrand und Helmut Kohl gekocht, aber für mich war jeder Gast gleich. Ich habe auch großen Wert darauf gelegt, dass wir kein Schickimicki-Restaurant sind. In der „Aubergine“ habe ich auch Hausfrauen kennengelernt, von denen ich noch selbst was gelernt habe, zum Beispiel eine großartige gefüllte Kalbsbrust.
Die Münchner Schickeria war aber doch auch bei Ihnen?
Na ja, denen entgeht man ja nie so ganz, und die hatten andere Hauptquartiere als die „Aubergine“. Sie sind zwar ein buntes Völkchen, aber manche wissen auch gutes Essen zu schätzen.
Die Kultserie „Kir Royal“ wurde teilweise bei Ihnen gedreht, Sie traten selbst darin auf.
Ja, das war lustig, auch ohne Gage. Aber mit Dietl, Kroetz und der Senta Berger vor der Kamera zu stehen hat Spaß gemacht. Für einen Oscar hat’s nicht gereicht, aber die Gaudi war groß.
Hatten Sie einen bestimmten Lieblingsgast?
Das ist wie die Frage nach dem Lieblingskind! Für mich war jeder Gast gleich wichtig und dementsprechend habe ich versucht alle gleich zu behandeln.
Wer hat sich bei Ihnen mal völlig daneben benommen?
Bei solchen Fragen schweigt eigentlich des Sängers Höflichkeit. Trotzdem eine kleine Anekdote, was sich alles in der Aubergine so ereignen konnte. Das Restaurant war voll besetzt und es gab Spargel. Ein deutscher Großindustrieller, Stammgast, saß mit seinen Gästen und alle hatten viel Spaß. Ich habe mich immer geweigert, den Spargel lendenweich zu kochen, auch an diesem Abend. Deshalb kam in der Küche auch die Frage an, ob Herr Witzigmann zum Zug muss, weil der Spargel nicht durchgekocht war. Und was ich sonst nie getan habe, während des Menüs in das Restaurant zu gehen, habe ich an diesem Abend jedoch gemacht. Mein Text war kurz: „Ich muss Ihre Essgewohnten erst mal kennenlernen.“ Ich hatte die Diskussion um den richtigen Garpunkt beim Spargel so gründlich satt, da muss man als Koch dann auch einmal Flagge zeigen.
Welches Ereignis hat sich Ihnen in all den Jahren besonders eingeprägt?
Es gab einen denkwürdigen Abend während der Hochphase der Fahndung nach den Baader-Meinhof-Terroristen. In der „Aubergine“ kam eine anonyme Bombendrohung an, und auf Anweisung der Polizei musste das voll besetzte Restaurant mitten im Service geräumt werden. Die Gäste verließen panikartig das Restaurant mitten im Menü. Leider haben das alle als Einladung gesehen, kein Gast hat sich Gedanken über die Rechnung gemacht, und wir blieben auf einem fünfstelligen Schadensbetrag sitzen. Nur ein Studentenpaar hat sich einige Tage später gemeldet und nach der Rechnung gefragt. Das einkommensschwächste Gästepaar hat als einziges auch an die Rechnung gedacht. Die habe ich dann nachträglich eingeladen.
1994 haben Sie die „Aubergine“ zugesperrt – beschäftigt Sie dieses Ende noch?
Nein, das war ja meine ureigenste Entscheidung. Ich habe festgestellt, dass es nicht der Sinn des Lebens sein kann, tagtäglich um halb sechs auf den Markt zu gehen und dann bis Mitternacht im Betrieb zu sein. Irgendwann sucht man nach der Sinnhaftigkeit seines Tuns. Deshalb hatte ich mich entschlossen, etwas Neues anzufangen: als Autor und Berater bei Projekten rund um die Welt. So entstanden auch die Palazzo-Zelte mit 350 Gästen und einem tollen Menü plus einer großartigen Show. Manchmal bis zu sechs Zelte in einer Saison. Und mittlerweile bin ich seit 17 Jahren Patron im Hangar-7 in Salzburg, einem der spannendsten Restaurantkonzepte der Welt.
Haben Sie das Gefühl, privat etwas verpasst zu haben?
Ich blicke nicht mit Unzufriedenheit auf mein Leben zurück, ich habe alles erreicht, was man als Koch erreichen kann, und darauf bin ich stolz. Trotzdem bin ich mir darüber im Klaren, dass ich meine Familie häufig sehr stiefmütterlich behandelt habe. Ich war mehr in den Restaurants anzutreffen als bei meiner Frau und den Kindern zu Hause. Wenn jemand aus der Familie krank war, hätte ich mich mehr darum kümmern müssen, die Entwicklung von Veronique und Max habe ich nur stellenweise wahrgenommen. Die Zeit ist mein größter Feind, auch wenn wir immer wieder einmal alle gemeinsam Urlaub gemacht haben. Heute habe ich einen wunderbaren Bezug zu meiner Ex-Frau und meinen Kindern. Aber es ist auch bei den Enkeln so, dass man sich viel zu wenig sieht, die gehen zwischenzeitlich eigene Wege.
Dann noch einmal zurück zur Spitzenküche: Wie schaut die in 20 Jahren aus?
Wenn ich das wüsste, wäre ich ein reicher Mann. Ich habe da nur gesicherte Ahnungen, ich glaube jedoch, dass wir in 20 Jahren eine veränderte Interessenlage haben werden. Sicher geht es da noch um Spitzenleistungen in der Küche, aber eine andere Front baut sich da auf: Wir haben im Moment zwei Milliarden Menschen mit Übergewicht und parallel dazu 800 Millionen Menschen, die hungern. Mit stark steigender Tendenz. Diese Diskrepanz wird die Diskussion beherrschen.
Momentan sind Regionales, Saisonales und Vegetarisches die großen kulinarischen Trends – also Dinge, die auch den Kern der Nouvelle Cuisine ausgemacht haben. Ärgert es Sie, dass das als neu verkauft wird?
Nein, das freut mich! Schade nur, dass diese Themen erst mit großer Verzögerung in der Breite angekommen sind. Aber die Einstellung ist trotzdem richtig: lieber weniger, dafür höhere Qualität. Und beim Vegetarischen kann man unwahrscheinlich kreativ sein und spielen. Da wird Verzicht zum Luxus!
Ist Kochen Kunst oder Handwerk?
Das habe ich vor Gericht klären lassen. Das Finanzgericht München hat klar entschieden: Kochen ist keine Kunst und gewerbesteuerpflichtig (lacht). Für mich ist es beides, Kunst und Handwerk.
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