Paralympics-Schwimmerin Elena Semechin: Nach ihrer Krebs-Erkankung greift sie bei den Paralympics in Paris 2024 nach Gold
Credit: Sacha Höchstetter
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Als wir Elena Semechin für das Covershooting unserer Oktober-Ausgabe 2020 trafen, hieß sie noch Krawzow, hatte ein Sehvermögen von drei Prozent und war mehrfache Welt- und Europameisterin im Brustschwimmen. Sie befand sich kurz vor dem Höhepunkt ihrer Karriere – der olympischen Goldmedaille in Tokio 2021 – bevor sie eine Diagnose auf die unschönste Art und Weise auf den Boden zurückholte. Mit kaum aushaltbaren Kopfschmerzen ging sie im Oktober 2021 in die Berliner Charité, mit der Diagnose Gehirntumor kam sie wieder heraus. Das bösartige diffuse Astrozytom zu entfernen: so gut wie unmöglich. Zu nahe saß der Tumor am Sprach-, Motivations- sowie Persönlichkeitszentrum.
Es ist bereits der zweite gesundheitliche Schicksalsschlag für die in Kasachstan geborene Sportlerin. Mit sieben Jahren erkrankte sie an Makuladystrophie. „Das ist eine Erkrankung der Netzhaut“, erklärte uns Elena Semechin im Interview zu ihrer Titelstrecke im Oktober 2020. „Die Makula ist ein Areal im Inneren des Auges: der Punkt, mit dem man am schärfsten sieht. Der ist bei mir abgestorben, dadurch habe ich jetzt noch ein Sehvermögen von drei Prozent. Das heißt, dass ich in der Mitte meines eigentlichen Sichtfeldes nichts sehe, sondern nur am äußeren Rand. Allerdings habe ich in der Mitte keinen schwarzen Fleck, sondern das Bild schneidet sich zusammen.“ Von 100 Prozent verschlechterte sich ihr Sehvermögen in verschiedenen Schüben auf drei Prozent bis 2020, heute sehe sie noch zwei Prozent, sagt Elena Semechin in aktuellen Interviews.
Mit dem Schwimmen begann sie im Alter von 13 Jahren: „Eigentlich war Wasser nie mein Element (lacht). Ich vermute, es war die Herausforderung, die mich angetrieben hat“, erzählte uns die 30-Jährige im Playboy-Titelinterview. „Als ich die ersten Erfahrungen hatte und auch bei Wettkämpfen dabei war, habe ich das als Chance gesehen. Mir wurde klar, dass mir der Sport neue Wege eröffnen kann.“
Dass sie keine Frau ist, die sich unterkriegen lässt, beweist Elena Semechin auch 2021. Auf die Krebs-Diagnose reagiert sie mit einer Kampfansage: „Der Krebs hat sich die Falsche ausgesucht.“. Sie unterzieht sich einer Bestrahlung und 13 Monaten Chemotherapie, heiratet kurz zuvor ihren Freund und Trainer Philipp – und holt, noch während ihrer Krebs-Behandlung, WM-Silber bei den World Para Swimming Championships 2022 auf Madeira. Für die Schwimmerin ein noch größerer Triumph als die lang ersehnte Goldmedaille von Tokio 2021: „Allein wegen meiner Lebensumstände war es der größte Erfolg in meinem Leben. Es war ein Zeichen, dass ich die Zügel selbst in der Hand habe über mein Leben und nicht der Krebs“, sagte sie über ihr WM-Silber.
Am Montag startet Elena Semechin nun in Paris bei ihren vierten Paralympischen Spielen. „Das sind für mich irgendwie besondere Spiele, weil nach all dem, was jetzt die letzten vier Jahre war, möchte ich mir selber beweisen, ob ich es schaffe, noch besser zu performen als vor der Erkrankung. Und das habe ich mir als persönliches Ziel gesetzt“, sagt Elena Semechin im Magenta-Interview. Und: „Natürlich: Ich kämpfe um Gold.“ Dieser Kampf startet am Montag, den 2. September um 10.55 Uhr. Wir drücken Elena fest die Daumen!