Einen fünf Meter langen Siebensitzer durch Südkoreas Hauptstadt Seoul zu manövrieren war bislang nichts, was auf meiner Bucket-List stand, das sage ich ganz ehrlich. Diesen unerschrockenen Drive, mit dem viele meiner Kolleginnen und Kollegen in sämtlichen Autos durch jeden Ort der Welt heizen, bewundere ich nach wie vor. Bei mir herrscht hier eher gesunder Respekt.
Den fühle ich auch, als ich dem EV9, dem neuesten Stromer von Kia, ins Antlitz blicke. Doch schnell überwiegt jetzt Neugierde. Die LED-Leuchten in der Frontansicht blitzen mir in der jüngsten Entwicklung des „digitalen Tigergesichts“ der Marke auffordernd entgegen. Die Liebe zum Detail, die Kias Design-Team in das neue Elektro-Flaggschiff gesteckt hat, ist schon auf den ersten Blick zu erkennen und die Message spätestens beim Einsteigen klar: In diesem Auto wird man gut und äußerst modern ankommen – auch wenn man fahrerisch noch vorsichtig unterwegs ist.
Kia EV9: Südkorea-Roadtrip der stilechten Art
Unterwegs sind wir heute auf einem Südkorea-Roadtrip der stilechten Art. Denn Autos von Kia sieht man hier auf den Straßen so häufig wie Kimchi auf den Speisekarten. 1944 gegründet, unterstrich die Marke erst vor knapp zwei Jahren ihre zukunftsweisenden Ambitionen mit einem neuen Logo samt überholtem Slogan: „Movement that inspires“, lautet seither das Credo der Marke und deutet ihren Plan an, die Rolle eines führenden Players in der Mobilitätsindustrie zu übernehmen. Parallel beschleunigte Kia die Umstellung auf Elektrofahrzeuge. So liefen 2022 sogar in Deutschland bereits 41,3 Prozent aller Kia-Neuwagen elektrifiziert vom Band.
KIA EV9: Gute Abstimmung und solider Antrieb
Auf den Straßen außerhalb Seouls fällt neben der Kia-Dichte vor allem auf, dass uns erst mal gar nichts weiter auffällt: So kolossal der EV9 mit seiner enormen Länge auf dem Parkplatz gewirkt hatte, gibt er sich in Aktion nicht. Mein Respekt? Gilt inzwischen nicht mehr seiner herausfordernden Größe, sondern den Machern. Überraschend wendig, agil und antrittsstark kutschiert uns der Stromer auf unserem Roadtrip vorbei an sattgrünen Hügeln, kleinen Dörfern, und er spendiert uns unterwegs – nicht zuletzt dank der bequemen Sitzhöhe – atemberaubende Blicke auf die Skyline Seouls.
Zu verdanken ist das Fahrgefühl einer guten Abstimmung sowie dem soliden Antrieb: In der Grundversion wird der EV9 von einem 150-kW-Motor an der Hinterachse angetrieben, der ihn mit einem Drehmoment von 350 Nm in 9,4 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Maximal erreicht der EV9 mit dem Heckantrieb 185 km/h. Will man mehr, setzt man auf den Allradantrieb, der optional in der Basis-Linie und der GT-Linie zu haben ist.
Hier schieben zwei 141 kW starke Elektromotoren an der Vorder- und Hinterachse an, die zusammen eine Systemleistung von 385 PS bei satten 700 Newtonmeter Drehmoment (GT-Linie) liefern. Dadurch beschleunigt der Wagen von 0 auf 100 km/h in 5,3 in der GT-Variante beziehungsweise 6,0 Sekunden in der Basis-Linie. Die Höchstgeschwindigkeit bei beiden beträgt 200 km/h. Ein 99,8-kWh-Akku soll dem Heckantriebler eine Reichweite von 563 Kilometern (nach WLTP) garantieren, beim Allradler sind immer noch 512 Kilometer (nach WLTP) mit einer Akku-Ladung drin.
Kia EV9: Reisen in einer rollenden Lounge
In dem Kia-Riesen verbringt man davon jeden Meter gerne. Das liegt vor allem an einer Eigenschaft, die den EV9 augenfällig auszeichnet: Komfort – und zwar für alle Insassen. Als erstes Elektro-SUV der Marke kommt der EV9 standardmäßig als Siebensitzer mit drei Sitzreihen. Optional gibt’s ihn in der GT-Linie auch mit sechs Sitzen. Egal, ob man die Familie oder eine Herren-Basketballmannschaft chauffiert: Dank 3,10 Meter langem Radstand und der dem Wagen zugrunde liegenden Architektur ist das Platzangebot mehr als angemessen. Ablagen für Snacks, Getränke, Smartphones & Co. bietet der Fond en masse, außerdem gibt es Steckdosen für bequemes bidirektionales Laden. So haben alle Passagiere weniger das Gefühl, in einem Auto zu sitzen als in einer rollenden Lounge zu reisen.
KIA EV9: Hightech-Cockpit aus nachhaltigen Materialien
Unterstrichen wird dieser Eindruck durch die Flexibilität, die der Fond zu bieten hat: Für die zweite Reihe sind Sitze mit Schwenkfunktion erhältlich, dank der sie sich im Stand um 90 Grad in Richtung Tür oder um 180 Grad in Richtung dritte Reihe drehen lassen. Welchen Wert das für Familien hat, erkannte auch die Jury des „Goldenen Lenkrads“: Sie zeichnete den EV9 jüngst in der Kategorie „Familienauto“ aus. Doch auch wer Hobbys mit sperriger Ausrüstung nachgeht wie Fahrradfahren oder Surfen, freut sich über das 828-Liter-Platzangebot, das der sechssitzige EV9 bei umgeklappter dritter Sitzreihe bereithält. Bei aufrechter Position aller Sitze sind es noch immer 333 Liter. Zusätzlichen Platz gibt’s unter der Haube im Frontkofferraum.
Komfortabel ist der EV9 natürlich auch für den Fahrer: Neben dem bequemen Head-up-Display, dem Müdigkeitswarner, einem intelligenten Geschwindigkeitsassistenten, der Rundumsichtkamera und den digitalen Seitenspiegeln sprechen auch Smartphone-Schlüssel und die Bedienoberflächen im Cockpit den Nutzer intuitiv an. So verfügt der EV9 als erstes Kia-Modell in Europa über eine Klimasteuerung, deren Display zwischen Kombiinstrument und Navigationssystem platziert ist. Damit lassen sich Fahrer- und Beifahrersitz sowie der Fond unabhängig voneinander heizen, lüften und klimatisieren. Haptisches Feedback an der Zierleiste mit Textilanmutung vermittelt ein Gefühl von Wertigkeit.
Und ebenfalls gut zu wissen: Die Gestalter des Innenraums erfolgten einen Nachhaltigkeitsauftrag. Sie setzten auf Lederalternativen aus Bio-Polyurethan, das zum Teil aus Mais gewonnen wird, auf recyceltes PET für das Armaturenbrett oder auf recycelten PCM-Kunststoff für die Türverkleidungen. Stoffe und Teppiche im Wagen bestehen aus recyceltem PET, das teils sogar aus alten Fischernetzen aus dem Meer gewonnen wurde.
Der Smog über Seoul färbt sich im rotgelben Abendschimmer – Zeit, den Koloss wieder abzustellen und sich zu freuen, dass man zur aktuellen örtlichen Luftverschmutzung mit dieser Fahrt herzlich wenig beigetragen hat. Und auch für die nächste emissionslose Ausfahrt wäre der EV9 jetzt schnellstens wieder bereit: Dank seiner 800-Volt-Technologie kann er innerhalb von nur 15 Minuten Strom für bis zu 249 Kilometer nachladen. So schnell können wir das Kimchi, das wir bei unserem Lunch-Stopp auf der Karte entdeckt haben, gar nicht essen.
Geschwindigkeit: 185 km/h
Leistung: 204 PS
Drehmoment: 350 Nm
0–100 km/h: 9,4 Sekunden
Reichweite: 563 km
Gewicht: 2426–2569 kg
Preis: Ab 72.490 Euro
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