Uhren aus Deutschland: Warum Stowa ganz ohne Logo auf dem Zifferblatt auskommt

Kein Logo? Kein Problem! Warum das funktioniert, erklärt uns Geschäftsleiter Kevin Müller
Credit: Christian Metzler
Kein Logo? Kein Problem! Warum das funktioniert, erklärt uns Geschäftsleiter Kevin Müller
Credit: Christian Metzler

Die bekanntesten Luxusuhren kommen sicherlich aus der Schweiz. Aber auch hierzulande gibt es viele hervorragende Hersteller, die besondere mechanische Wunderwerke fürs Handgelenk bauen. Seit fast 100 Jahren prägt Stowa mit seinem schlichten Design das Aussehen deutscher Uhren. Viele davon haben nicht einmal ein Logo auf dem Zifferblatt. Warum das funktioniert, erklärt uns in Teil 3 unserer Serie „Uhren aus Deutschland“ Stowa-Geschäftsleiter Kevin Müller

Von: Michael Brunnbauer
28.01.25
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Stowa gilt als einer der ganz wenigen deutschen Uhrenhersteller, der auf eine ununterbrochene Firmengeschichte und Uhrenproduktion von  knapp 100 Jahren zurückblickt. Heute ist das Unternehmen neben seinen Bauhaus- und Taucheruhren vor allem bekannt für seine Fliegeruhren, die der Kunde online oder im Direktvertrieb bestellen kann. Das Besondere dabei ist, dass die Uhren wahlweise auch ohne Logo erhältlich sind. Außerdem lässt sich jede Stowa-Uhr mittels Lasergravur auf dem Rotor, Zahnrad oder auf der Schließe individualisieren. Wir trafen Stowa-Chef Kevin Müller im neuen Firmensitz in Pforzheim, um uns vom ihm das „Zifferblatt ohne Logo“-Prinzip genauer erklären zu lassen.

Herr Müller, Sie leiten nun seit über drei Jahren die Marke Stowa. Was sagen Sie jemandem, der noch nie von Stowa gehört hat?

Bei Stowa bekommen Sie hohe Qualität zu einem gutem Preis. Alle unsere Uhren werden in Deutschland montiert, besitzen aber ein Schweizer Uhrwerk. Die Marke wurde 1927 von Walter Stotz gegründet, deswegen auch der Name Stowa, der sich aus seinem Vor- und Nachnamen zusammensetzt. Am Anfang lag der Fokus auf Bauhaus-Uhren, später musste die Produktion kriegsbedingt auf Fliegeruhren für die Wehrmacht umgestellt werden. Das hat Stowa bis heute geprägt. 

Inwiefern?

Wir sind keine Marke, die plötzlich sagt, wir machen jetzt auch eine Fliegeruhr. Sie ist Teil unserer Geschichte. Von allen unseren Modellen ist die Fliegeruhr das am häufigsten nachgefragte Modell. Sie macht in verschiedensten Varianten mehr als die Hälfte unseres Umsatzes aus. Daneben bieten wir Marine-Uhren an, das sind klassische Modelle, hauptsächlich mit weißem Zifferblatt und römischen oder arabischen Zahlen. Ergänzend gibt es noch die „Antea“ im Bauhaus-Design, die „Partitio“, eine schlichte Trageuhr in verschiedenen Farbvarianten, oder die „ProDiver“, eine Sport- und Taucheruhr in unserem Programm.

Schnörkellos: Rund 70 Prozent der Stowa-Kunden ordern ihre Fliegeruhr ohne Logo auf dem Zifferblatt. Wobei das schlichte Design mit dem Dreieck auf 12 Uhr und den zwei Punkten daneben ursprünglich auf eine Vorgabe des deutschen Militärs zurückzuführen ist
Credit: Christian Metzler

Man kann eine Stowa-Fliegeruhr wahlweise mit oder ohne Logo bestellen. Warum?

Für die Piloten der Luftwaffe war damals die Ablesbarkeit im Einsatz das Wichtigste – sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Ein Logo hätte nur abgelenkt. Das waren damals richtig wuchtige Teile, sie wurden mit bis zu 55 Millimeter Durchmesser meist über der Jacke getragen. Die Piloten brauchten die Uhr zum Navigieren, sie war also mehr Instrument als Uhr. Deswegen gab es auch das Leuchtdreieck auf 12 Uhr und die zwei Punkte daneben zur Koordination. Das Design war vorgegeben, alle Uhren sollten gleich aussehen, denn insgesamt gab es nur fünf Marken, die die sogenannten B-Uhren für das deutsche Militär hergestellt haben: Laco, IWC, Lange & Söhne, Wempe und eben Stowa.

Das erklärt nicht, warum man heute immer noch auf ein Logo auf dem Zifferblatt verzichtet.

Alle Marketingexperten haben uns gesagt, ihr seid verrückt, dass ihr ein Produkt wahlweise ohne Logo verkauft. Aber die meisten unserer Kunden wollen einfach eine Uhr, die so nah wie möglich am Original ist. Jetzt nicht unbedingt in den Ausmaßen von 55 Millimetern, aber eben ohne Logo. Im Übrigen kann jeder Kunde in einer Art Baukastensystem in unserem OnlineShop selbst konfigurieren, wie ihm die Uhr am besten gefällt. Aber die Nachfrage hat gezeigt, dass mehr Kunden eine Uhr ohne als mit Logo wollen. Das Verhältnis liegt ungefähr bei 70 zu 30, und somit entscheidet der Verbraucher selbst.

Mir gefiel in Ihrem Sortiment die schwarze Fliegeruhr mit den blauen Leuchtelementen besonders gut.

Ja, in Anlehnung an unseren Heimatstandort am Schwarzwald haben wir die „Flieger Verus Black Forest Lagoon“ aufgelegt. Das ist eine Uhr mit schwarz beschichtetem Stahlgehäuse, schwarzem Zifferblatt und türkisfarbenen Superluminova-Zeigern, die im Dunkeln leuchten. Inspiriert ist die Farbe vom Blautopf, einem der blauesten Gewässer Deutschlands. 

Was stellt Stowa dabei selbst her, und was wird zugeliefert?

Im Grunde bekommen wir alle Komponenten von unterschiedlichen Lieferanten. Das Werk kommt zumeist von Sellita, auch das Gehäuse, Zeiger, Zifferblatt und weitere Komponenten werden fertig geliefert. Hier in Pforzheim findet dann die Endmontage statt. Und das Logo drucken wir bei den Fliegeruhren selbst auf das Zifferblatt. Dadurch sind wir flexibler, je nachdem, ob mehr Uhren mit oder ohne Logo nachgefragt werden.  

Sie sprachen von einem Baukastensystem. Was kann ich, abgesehen vom Logo, noch anpassen?

Man hat in unserem Online-Shop zum Beispiel die Möglichkeit, das Gehäuse, den Rotor oder im Falle eines Handaufzugswerks das Zahnrad gravieren zu lassen. Rund 15 bis 20 Prozent unserer Kunden nehmen diesen Service in Anspruch. Im Fall von einfachen Texten geht das direkt über unseren Online-Shop, bei aufwendigeren Entwürfen, einem Familienwappen oder in Ihrem Fall vielleicht einem Playboy-Hasen, können Sie uns anschreiben, und wir klären dann mit Ihnen, was machbar ist. Muss ich in dem Fall eine gewisse Stückzahl abnehmen? Nein, wir machen das auch nur für eine einzige Uhr. Ein Kunde wollte zum Beispiel sein Familienwappen und daneben das Staatswappen auf den Rotor graviert haben, ein anderer eine Botschaft an außerirdische Lebensformen, die die NASA mal in einer ihrer Sonden verschickt hat. Alles ist möglich. Aber die meisten wollen eigentlich nur einen Namen oder ein Datum graviert haben.

Kann ich auch das Zifferblatt individualisieren?

Das lohnt sich für uns erst ab einer gewissen Stückzahl, wir müssen dafür eine eigene Druckplatte herstellen. Aber wir haben zum Beispiel oft Anfragen von Fliegerclubs oder -vereinen, die wollen ihr Vereins­logo auf dem Zifferblatt und nehmen dann gleich 20, 30 oder 50 Stück ab. Das machen wir auch.

Bei uns bekommt man zu einem bezahlbaren Preis eine deutsche Uhr mit Schweizer Werk

Kevin Müller. Geschäftsleiter Stowa

Kevin Müller. Geschäftsleiter Stowa

Beim Thema Uhren aus Deutschland denken viele sofort an Glashütte. Ist der Standort Pforzheim eher ein Vor- oder ein Nachteil?

Ich würde sagen ein Vorteil. Das Industriegebiet hier ist voll von Uhrenfirmen. Große Gruppen wie LVMH mit TAG Heuer oder die Swatch Group haben hier ihren Service. Und es gibt eine eigene Goldschmiede- und Uhrmacherschule in Pforzheim. Dadurch fällt es uns leicht, an gute Mitarbeiter zu kommen.

Wie viele Leute arbeiten denn zurzeit bei Stowa?

Im Moment haben wir etwas mehr als 20 Mitarbeiter – vom Design über Uhrmacherei bis hin zu Marketing, Vertrieb und Administration.

Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, eine Schweizer Uhr ist vom Qualitätslevel immer besser als eine deutsche?

Ich denke, der Ruf einer Schweizer Uhr und ihrer Genauigkeit ist einfach sehr etabliert und über Jahrhunderte vom Kunden gelernt. Dem gegenüber steht jedoch eine große Tradition in der Uhrmacherei auf deutscher Seite. Heute kommt es am Ende in unserem Segment darauf an, wie gut die Uhr reguliert wurde. Das können unsere Uhrmacher mit den hochwertigen Uhrenwerken, die wir verwenden, in Pforzheim genauso gut wie die Uhrmacher eines Schweizer Herstellers. Außerdem bekommt der Kunde bei uns viel Uhr für sein Geld. Durch den Online-Direktvertrieb geben wir eine mögliche Händlermarge, die in der Uhrenbranche bis zu 45 Prozent betragen kann, an unsere Kunden weiter. 

Schwarzwald-Style: Die „Flieger Verus Black Forest Lagoon“ ist eine moderne Interpretation einer Fliegeruhr – mit schwarzem Zifferblatt und türkisfarben leuchtenden Superluminova-Zeigern, 1090 Euro
Credit: Christian Metzler

Und wie sieht es mit dem Wert­erhalt einer Stowa-Uhr über die Jahre aus?

Die halten sich im Wert ganz gut. Das liegt natürlich auch daran, dass unsere Uhren vor 15 bis 20 Jahren noch deutlich billiger waren. Wenn also eine Uhr aus der Revision kommt und noch das Gehäuse auf Vordermann gebracht wurde, verkauft man die um die 1000 Euro. Bei einem deutlich günstigeren Einkaufspreis. Stowa ist jedoch keine Uhr für Uhrenspekulanten, sondern eignet sich vor allem für den täglichen Einsatz.

Sitzt Ihre Konkurrenz eher in Deutschland oder in der Schweiz? 

Es gibt in unseren Preislagen etliche Mitbewerber auf deutscher, Schweizer und sogar japanischer Seite. Generell kommt die Mehrheit davon aber eher aus Deutschland und nicht aus der Schweiz oder Japan. Es hängt aber auch stark vom Modell ab. Bei den Bauhaus-Uhren zum Beispiel würde ich eher eine Marke wie Nomos als Wettbewerber sehen. Unsere tatsächliche Konkurrenz begründet sich heute aber mehr in dem geänderten Interesse der Konsumenten. Wo früher noch die Uhr unter dem Weihnachtsbaum lag, liegt heute ein Gutschein für einen Kurztrip. Corona hat den Wunsch nach Aktivität und Erlebnis beschleunigt.

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Und Ihre Kunden? Kommen die meisten davon aus Deutschland?

Die meisten Bestellungen kommen in der Tat aus Deutschland oder aus den USA, danach folgen Großbritannien, Südkorea, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Aktuell im Aufbau befinden sich Asien und der Mittlere Osten.

Wie sieht der typische Stowa-Kunde aus?

Wir haben eigentlich drei unterschiedliche Kundengruppen. Zum einen den Sammler, der in der Regel eine klassische Fliegeruhr will oder eine spezielle limitierte Edition. Dann gibt es den technikaffinen Typen, der kommt meistens auch aus einem entsprechenden Beruf, ist also selbst Ingenieur oder Maschinenbauer. Der ist vor allem fasziniert von dem Werk und wie es reguliert ist. Für diese beiden Gruppen haben wir 2024 unser Manufakturwerk M1 in der „Flieger Olymp“ entwickelt. Und unsere dritte Zielgruppe, das sind eher jüngere Leute, die auf Understatement stehen und daher eine Uhr ohne Logo auf dem Zifferblatt wollen. Viele Käufer hatten vorher auch noch keine mechanische Uhr, aber können sich kein höherpreisiges Produkt leisten. Und bei uns bekommt man zu einem bezahlbaren Preis eine deutsche Uhr mit Schweizer Werk. Das ist oft verkaufsentscheidend.

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